Meilensteine unseres Erfolgs

Ein Vater wehrt sich erfolgreich gegen den Versuch einer Jugendeinrichtung ihm seinen Bericht über das Leiden seiner Tochter zu untersagen. Vor dem Bundesverfassungsgericht streitet er nun weiter dafür über das traurige Schicksal seiner Tochter zukünftig ohne gerichtliche Einschränkung berichten zu dürfen.

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 13. Dezember 2022 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Münster – 14 O 364/21 – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß über den Kläger Behauptungen aufzustellen und/oder zu verbreiten, wenn dies geschieht wie in folgenden auf der Internetseite www.twitter.de veröffentlichten, jeweils zuletzt am 7. Juni 2021 abgerufenen und in der Anlage A1 zur Klageschrift (Blatt 35 ff. der erstinstanzlichen Akten) abgedruckten Äußerungen:

 

  1. Thread vom 14. Mai 2020 auf dem Profil (…): 10:38 Uhr: „… und XYZ-Heim und Jugendamt haben sie dann als angeblich Schwererziehbare in eine Erziehungsmaßnahme nach Teneriffa abgeschoben.“ und/oder 10:46 Uhr: „… in die sie von einer perversen Meute von Erwachsenen im XYZ-Heim hineingetrieben worden war.“
  2. und/oder b) Thread vom 14. Mai 2020 auf dem Profil (…): 15:20 Uhr: „Dazu gehörten unter anderem Anzeigen wegen abgestimmter Falschaussagen mit zahlreichen angeblichen Erinnerungslücken der Mitarbeiter des XYZ-Heims bei diesem Verfahren.“
  3. und/oder d) Thread vom 20. Dezember 2020 auf dem Profil (…) als Antwort an @bistummuenster: 10:49: „… Eine wesentliche Ursache für ihren unglücklichen Lebensverlauf war der seelische Missbrauch im XYZ-Heim.“ und/oder 10:53 Uhr: „Auf willkürlichen Verdacht hin, es habe sexuellen Missbrauch durch ihren Vater gegeben, hatte man mit Falschinformationen gegenüber dem zuständigen Familiengericht den Kontaktverlust Vater-Tochter vorsätzlich herbeigeführt.“ und/oder 10:57 Uhr: „Zwei Jahre lang hat die ehemalige Heimleitung (…) dann zugelassen, dass mein Kind von Mitarbeitern dieser Einrichtung solange bearbeitet wurde, bis es diesen falschen Verdacht bestätigt hat. Namentlich eine Erzieherin namens (…) …“
  4. und/oder 11:00 Uhr: „… hatte sich hier besonders hervorgetan, indem sie zu diesem Zweck meine Tochter zu Übernachtungen mit zu sich nach Hause genommen hatte. […], in das diese Erziehungsverbrecher sie gedrängt hatten, …“
  5. und/oder 11:03 Uhr: „… Die vermeintlichen Pflegeeltern stellten sich als weitere Kinderseelenschänder heraus, die mit dem Geld vom Jugendamt sich nur ihren Ruhestand auf der Insel versüßen wollten.“
  6. und/oder 11:06 Uhr: „Die Aufklärung des im XYZ-Heim begangenen Erziehungsverbrechens an meiner Tochter wurde wie üblich zum Schutz der Institution und damit der Täter unterdrückt. Leider erwartet kein Mensch mehr etwas anderes, am allerwenigsten von Vertuschungsbeauftragten wie Herrn F.“

 

Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten angedroht. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und zwar in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 € und wegen der Gerichtskosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe:

 

A.

Der klagende Träger der stationären Kinder- und Jugendhilfe verlangt von dem Beklagten die Unterlassung von insgesamt 20 Äußerungen, die der Beklagte am 14. Mai 2020, am 26. September 2020, am 20. Dezember 2020, am 21. Dezember 2020 und am 1. Mai 2021 auf der Plattform Twitter über sein Profil (…) veröffentlichte. In sämtlichen Äußerungen thematisiert der Beklagte die Unterbringung seiner Tochter in einer Einrichtung des Klägers in den Jahren 2004 bis 2007. Die am 9. März 1994 geborene Tochter des Beklagten wuchs bis zum Ende ihrer Grundschulzeit gemeinsam mit drei Halbgeschwistern bei ihrer getrennt vom Beklagten lebenden Mutter auf. Nachdem der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen worden war, war die Tochter in der Zeit von August 2004 bis Dezember 2007 in einem sozial- und heilpädagogischen Heim des Klägers untergebracht. Nachdem die Tochter nach einem unbegleiteten Umgangskontakt mit dem Beklagten am 12. März 2005 starke Verhaltensauffälligkeiten gezeigt hatte, ordnete das Familiengericht am 22. April 2005 an, dass fortan nur noch begleitete Umgangskontakte mit dem Beklagten stattfanden. Während des Aufenthalts der Tochter des Beklagten in dem Heim des Klägers kam bei den Mitarbeitern des Heims der Verdacht auf, dass der Beklagte seine Tochter sexuell missbraucht haben könnte. Am 9. November 2006 erstattete die Kindesmutter eine entsprechende Strafanzeige. Nachdem die Tochter des Beklagten diesen in einer Zeugenaussage belastet hatte, wurde der Beklagte am 18. Januar 2008 wegen schweren sexuellen Missbrauchs und sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in 15 Fällen angeklagt. Am 17. September 2008 wurde er rechtskräftig freigesprochen.

 

Zur Begründung führte die Strafkammer aus, sie gehe zwar davon aus, dass das von der Tochter des Beklagten geschilderte Kerngeschehen einen realen Hintergrund habe und es tatsächlich zu sexuellen Übergriffen des Beklagten zu Lasten seiner Tochter gekommen sei. Auf Grund von Unstimmigkeiten in der Zeugenaussage sehe sich die Kammer gleichwohl außerstande, im Ergebnis konkrete Feststellungen zu treffen (vgl. LG Münster, Urteil vom 17. September 2008 – 1 KLs 63 Js 91/07 [5/08], juris Rn. 17 ff.).

 

In der Folgezeit erhob der Beklagte zum einen Klage gegen eine von der Staatsanwaltschaft beauftragte Sachverständige, die im Ermittlungsverfahren ein aussagepsychologisches Gutachten vorgelegt hatte. Diese wurde am 31. März 2014 rechtskräftig verurteilt, an den Beklagten 6.000 € Schmerzensgeld zu zahlen, da sie grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet habe.

 

Zum anderen rief der Beklagte den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an. Dieser entschied mit Urteil vom 15. Januar 2015 – 48144/09, dass durch die Gründe des freisprechenden Strafurteils die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK) verletzt sei (NJW 2016, 3225).

 

Die Tochter des Beklagten war nach ihrer Entlassung aus dem Heim des Klägers im Dezember 2007 zunächst bei einer Pflegefamilie auf Teneriffa untergebracht worden. Später kehrte sie nach Deutschland zurück und hatte im Erwachsenenalter auch wieder Kontakt zum Beklagten. In einer E-Mail vom 15. Januar 2019 teilte sie ihm mit, sie sei im Alter von sechs oder sieben Jahren wiederholt von einem ihrer älteren Halbbrüder missbraucht worden; diese negativen Erfahrungen habe sie vor Gericht auf den Beklagten projiziert. Am 4. Dezember 2019 verstarb die Tochter an einer Überdosis Heroin.

 

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der dieser seinen erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.

 

  1. Die Berufung hat teilweise Erfolg.

 

  1. Der Klageantrag ist, wie der Kläger im Berufungsverfahren mehrfach klargestellt hat, nicht auf ein Gesamtverbot gerichtet. Vielmehr greift der Kläger 20 einzelne Äußerungen an. Der Senat hat deshalb zur Klarstellung in den Tenor zwischen den einzelnen Äußerungen jeweils die Worte „und/oder“ aufgenommen.

 

  1. Der Klageantrag ist entgegen der Auffassung des Beklagten hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Dass er sich nicht nur auf die im Antrag wörtlich wiedergegebenen, sondern ausdrücklich auch auf sinngemäße Äußerungen erstreckt, ändert daran nichts. Denn damit hat der Kläger nur klargestellt, dass von dem Antrag auch leicht abgewandelte Verletzungshandlungen erfasst werden sollen, die im Kern und Wesen der konkret genannten Verletzungshandlung entsprechen (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 2006 – VI ZR 259/05, AfP 2007, 44 Rn. 9). Dass der Kläger aus Sicht des Beklagten nicht zu allen im Klageantrag genannten Äußerungen hinreichend vorgetragen hat, ist keine Frage der Bestimmtheit des Antrags, sondern eine Frage der Begründetheit. Der Antrag ist schließlich auch nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger in die wörtlich wiedergegebenen Äußerungen des Beklagten an manchen Stellen „[sic]“ eingefügt hat; in den Tenor ist dieser Zusatz allerdings nicht aufzunehmen.

 

III. Die Klage ist teilweise begründet.

 

Nach Auffassung des Senats und unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme stehen dem Kläger die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu. Sie folgen insoweit aus § 823 Abs. 1 BGB und einer entsprechenden Anwendung des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB.

 

Die Datenschutz-Grundverordnung ist hingegen unanwendbar, da der Kläger keine natürliche Person ist (Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Nr. 1 DSGVO).

 

  1. Die im Tenor wiedergegebenen und jedenfalls der weitaus größte Teil der weiteren angegriffenen Tweets enthalten, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, Äußerungen, die in den Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts des Klägers eingreifen.

 

  1. a) Als juristische Person des Privatrechts kann sich der Kläger gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts berufen, soweit er aus seinem Wesen als Zweckschöpfung des Rechts und seinen Funktionen dieses Rechtsschutzes bedarf. Dies ist insbesondere der Fall, wenn und soweit er in seinem sozialen Geltungsanspruch in seinem Aufgabenbereich betroffen ist (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2017 – VI ZR 123/16, AfP 2017, 316 Rn. 16).

 

  1. b) Vorliegend kritisiert der Beklagte den Kläger und seine Mitarbeiter in teils scharfer Form für die Behandlung seiner Tochter während ihres Aufenthalts in einem Heim des 8 Klägers. Der Beklagte macht den Kläger und seine – damaligen – Mitarbeiter dafür verantwortlich, dass seine Tochter ihn, während sie sich in der Obhut des Klägers befand, zu Unrecht des sexuellen Missbrauchs bezichtigt hat. In der angeblich vom Kläger zu verantwortenden Falschbezichtigung sieht er eine wesentliche Ursache für den unglücklichen Lebensweg seiner Tochter und letztlich auch für ihren frühen Tod. Dabei enthalten die angegriffenen Tweets nicht nur zahlreiche den Kläger herabsetzende Meinungsäußerungen, sondern auch verschiedene Tatsachenbehauptungen, die zweifellos geeignet sind, sich abträglich auf den sozialen Geltungsanspruch des Klägers auszuwirken. An dem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ändert es nichts, dass der Kläger auch öffentliche Aufgaben wahrnimmt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. April 2016 – VI ZR 505/14, NJW-RR 2017, 98 Rn. 27).

 

Denn die angegriffenen Äußerungen betreffen vom Kläger erbrachte Leistungen der Jugendhilfe in Gestalt der Heimerziehung (§ 34 SGB VIII). Bei der Gewährung solcher Leistungen ist das Rechtsverhältnis zwischen dem Leistungsberechtigten – hier der Tochter des Beklagten beziehungsweise ihrem Ergänzungspfleger – und dem Leistungserbringer – hier dem Kläger – privatrechtlich ausgestaltet (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 2021 – III ZR 175/19, ZKJ 2021, 241 Rn. 21 f.).

 

  1. c) Soweit die im Klageantrag wiedergegebenen Tweets neben den im Tenor wiedergegebenen Äußerungsteilen auch Sätze und Satzteile enthalten, die den sozialen Geltungsanspruch des Klägers nicht berühren und die auch bei einem Wegfall der im Tenor wiedergegebenen Äußerungsteile ohne eine Veränderung ihres Sinngehalts aufrechterhalten werden können, erstreckt sich der Unterlassungsanspruch auf diese Satzteile allerdings nicht. Dies gilt bezüglich des ersten Threads vom 14. Mai 2020 (Antrag zu a) zunächst für den ersten Halbsatz des zweiten angegriffenen Tweets (10:38 Uhr: „Nach dem Verfahren ist sie endgültig völlig abgedreht“), zumal – wie sich aus Antrag und Tenor ergibt – auch der zweite Halbsatz („und XYZ-Heim und Jugendamt haben sie dann als angeblich Schwererziehbare in eine Erziehungsmaßnahme nach Teneriffa abgeschoben.“) nur insoweit vom Unterlassungsanspruch erfasst wird, als er sich auf den Kläger und nicht auf das Jugendamt bezieht. 9 Nicht zu verbieten ist ferner der Hauptsatz des dritten angegriffenen Tweets (10:46 Uhr: „Zusätzlich zu diesen Alltagsmisshandlungen kamen dann immer wieder die Erinnerungen an den realen Missbrauch durch ihren Halbbruder und die Falschbezichtigung ihres Vaters“).

 

Soweit in der Äußerung von „diesen Alltagsmisshandlungen“ die Rede ist, kann der Senat nämlich nicht feststellen, dass der durchschnittliche Rezipient diese Aussage im Gesamtkontext des Threads auf den Kläger bezieht. Der als Anlage A1 zur Klageschrift vorgelegte Ausdruck des Threads lässt es, da sich der auf Seite 2 der Anlage abgedruckte Tweet weder zeitlich (10:02 Uhr) noch optisch noch inhaltlich in den Verlauf der Tweets einfügt, jedenfalls nicht als ausgeschlossen erscheinen, dass die auf Seite 3 oben abgedruckte Äußerung über „Alltagsmisshandlungen“ an den letzten auf Seite 1 abgedruckten Tweet anknüpft und sich deshalb auf die Behandlung der Tochter des Beklagten in der Pflegefamilie und nicht auf ihre Unterbringung im Heim des Klägers bezieht. Etwas anderes ist jedenfalls nicht substanziiert dargelegt. Bezüglich des Threads vom 20. Dezember 2020 (Antrag zu d) erstreckt sich der Unterlassungsanspruch mangels einer den sozialen Geltungsanspruch des Klägers berührenden Aussage nicht auf den ersten Satz des ersten angegriffenen Tweets (10:49 Uhr: „Das nahende Weihnachtsfest ist für mich Anlass an meine (…) zu erinnern, die ich vor einem Jahr beerdigen musste.“) und mit Ausnahme des Relativsatzes auch nicht auf den zweiten Satze des vierten angegriffenen Tweets, der im fünften angegriffenen Tweet fortgesetzt wird (11:00 Uhr: „Als meine Tochter nach dem Verfahren vor dem Landgericht […] psychisch völlig abdrehte, …“, 11:03 Uhr: „wurde sie in eine sogenannte individualpädagogische Maßnahme nach Teneriffa abgeschoben.“).

 

  1. d) Berührt wird der Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts des Klägers entgegen der Auffassung des Beklagten aber durch den zweiten Satz des fünften angegriffenen Tweets aus dem Thread vom 20. Dezember 2020 (11:03 Uhr: „Die vermeintlichen Pflegeeltern stellten sich als weitere Kinderseelenschänder heraus, die mit dem Geld vom Jugendamt sich nur ihren Ruhestand auf der Insel versüßen wollten.“). Denn die Aussage, die Pflegeeltern seien „weitere“ Kinderseelenschänder, impliziert, dass der Beklagte auch die Mitarbeiter des Klägers als solche ansieht.

 

  1. Über die Rechtmäßigkeit der einzelnen den Kläger betreffenden Äußerungen ist, wie das Landgericht ebenfalls zutreffend angenommen hat, auf Grund einer Abwägung 10 des Persönlichkeitsrechts des Klägers mit dem Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK) zu entscheiden.

 

  1. a) Dabei muss zunächst geklärt werden, ob es sich bei den einzelnen Äußerungen um Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen handelt. Während Tatsachenbehauptungen durch die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit geprägt werden und der Überprüfung mit Mitteln des Beweises zugänglich sind, handelt es sich bei einer Meinung um eine Äußerung, die durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt ist. In Fällen, in denen beide Äußerungsformen miteinander verbunden werden und erst gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachen, ist der Begriff der Meinung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes weit zu verstehen: Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht geschützt. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte (zuletzt etwa BVerfG, Beschluss vom 9. November 2022 – 1 BvR 523/21, AfP 2023, 142 Rn. 16 mwN).

 

Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Abwägung vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Aussagen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht. Außerhalb des Schutzbereichs von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG liegen zwar nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung unzweifelhaft feststeht. Alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen, der Wahrheitsgehalt fällt dann aber bei der Abwägung ins Gewicht (vgl. BVerfG, aaO Rn. 17 mwN).

 

Meinungsäußerungen müssen grundsätzlich nicht begründet werden. Sie enthalten ein Urteil über Sachverhalte, Ideen oder Personen. Auf diese persönliche Stellungnahme bezieht sich der Grundrechtsschutz. Er besteht deswegen unabhängig davon, ob die Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird. Die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen liegt nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung 11 für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist oder wo Gründe für die geäußerte kritische Bewertung nicht gegeben werden. Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, hat eine solche Äußerung als Schmähung im verfassungsrechtlichen Sinne regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzutreten (vgl. BVerfG, aaO Rn. 25 mwN). Bei Meinungsäußerungen, in denen sich wertende und tatsächliche Elemente so vermengen, dass sie insgesamt als Werturteil anzusehen sind, ist im Rahmen der Abwägung die Richtigkeit der tatsächlichen Bestandteile von Bedeutung (vgl. BVerfG, aaO Rn. 30 mwN). Schwierig ist eine Unterscheidung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen, wenn es sich um Behauptungen über Beweggründe für das Verhalten eines Dritten handelt. Bei Schlussfolgerungen über Beweggründe oder etwaige Absichten Dritter handelt es sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eher um Werturteile als um dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptungen, wobei es auch für eine einem Werturteil gleichkommende Erklärung eine ausreichende Tatsachengrundlage geben müsse. Innerhalb der Abwägung macht es daher nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen Unterschied, ob es sich bei der Einschätzung von Beweggründen, Absichten oder Standpunkten eines anderen um eine auf Tatsachen fußende Schlussfolgerung handelt oder um eine willkürlich aus der Luft gegriffene Wertung (vgl. BVerfG, aaO Rn. 28 mwN).

 

  1. b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist bei der Würdigung der einzelnen im Streitfall angegriffenen Äußerungen in tatsächlicher Hinsicht davon auszugehen, dass die Tochter des Beklagten, während sie sich in der Obhut des Klägers befand, den Beklagten der Wahrheit zuwider des sexuellen Missbrauchs bezichtigt hat. Der Kläger hat in der Berufungserwiderung klargestellt, dass er den Beklagten nicht des sexuellen Missbrauchs verdächtigt. Es ist also prozessual unstreitig, dass der Beklagte die ihm vorgeworfenen Missbrauchstaten nicht begangen hat, die entsprechenden Aussagen seiner Tochter mithin falsch waren. Ferner ist offensichtlich, dass die Falschbezichtigung nicht nur durch die Beeinträchtigung des Vater-Tochter-Verhältnisses, sondern auch auf Grund des Strafverfahrens und der die Unschuldsvermutung verletzenden Urteilsbegründung einschneidende Folgen für den Beklagten hatte. Was die Ursachen der Falschbezichtigung angeht, so hat der Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit klargestellt, dass er dem Kläger und seinen – damaligen – Mitarbeitern nicht vorwirft, ihn wider besseres Wissen bezichtigt zu haben. Der Beklagte geht vielmehr davon aus, dass seine Tochter in der Einrichtung des Klägers suggestiven Einflüssen ausgesetzt war. Dementsprechend hat der Zeuge B. in seinem im Strafverfahren erstatteten Gutachten (Anlage BK 3) ausgeführt, die Annahme, die Tochter des Beklagten könne einem Suggestionsdruck erlegen sein, könne nicht zurückgewiesen werden. Dabei gehe es nicht um die Frage beabsichtigter Suggestionen, sondern um atmosphärische Suggestionspotenziale, die auf falsche Annahmen über Zusammenhänge von spezifischen Verhaltensweisen und sexuellem Missbrauch zurückgehen dürften.

 

  1. c) Dies vorausgeschickt gilt hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der einzelnen Äußerungen Folgendes, wobei jede angegriffene Äußerung im Kontext des jeweiligen Threads einzeln zu würdigen ist und sich die Würdigung entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht auf „Kernaussagen“ oder „Hauptzielrichtungen“ beschränken darf:

 

  1. aa) Die unter Buchstabe a des Klageantrags wiedergegebenen Äußerungen aus dem ersten Thread vom 14. Mai 2020 sind teilweise unzulässig.

 

(1) Zulässig ist allerdings die Äußerung „Nach zwei Jahren systematischer Vater-Tochter-Entfremdung und ständigem Bestätigungsdruck, der auf sie ausgeübt wurde, war sie psychisch am Ende und fing an, das zu behaupten, was man im XYZ-Heim von ihr wollte, dass sie es behauptet.“

 

(a) Soweit der Beklagte äußert, dass es in der Einrichtung des Klägers über einen Zeitraum von zwei Jahren zu einer systematischen Entfremdung zwischen ihm und seiner Tochter gekommen ist, handelt es sich um eine offensichtlich zulässige Meinungsäußerung ohne greifbare tatsächliche Bestandteile. Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Beklagte in zulässiger Weise die Erfahrungen bewertet, die er bei den von Mitarbeitern des Klägers begleiteten Besuchskontakten mit seiner Tochter gemacht hat. Soweit die Äußerung darüber hinaus so zu verstehen sein sollte, dass die Tochter auf Grund der Einwirkung des Klägers an dem „Parental Alientation Syndrom“ gelitten hat, würde dies nichts an der Einordnung als zulässige Meinungsäußerung ändern. Denn ärztliche Diagnosen sind als Ergebnis sachverständiger Feststellungen eines Arztes als Werturteile anzusehen (vgl. KG, Urteil vom 20. Juni 2011 – 10 U 170/10, MMR 2011, 839; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl., Kap. 4 Rn. 60).

 

Dies muss für laienhafte Diagnosen erst recht gelten. Schließlich rechtfertigt auch die Verwendung des Begriffs „systematisch“ keine abweichende Würdigung der Äußerung. Entgegen den Ausführungen des Klägers bezieht sich dieser Begriff im Kontext der angegriffenen Äußerung nur auf die angebliche Vater-Tochter-Entfremdung und nicht auf das Zustandekommen der belastenden Aussagen der Tochter.

 

(b) Die weitere Aussage, wonach in der Einrichtung des Klägers ein ständiger Bestätigungsdruck auf die Tochter des Beklagten ausgeübt wurde, ist ebenfalls eine zulässige Meinungsäußerung ohne greifbare tatsächliche Bestandteile. Die Aussage steht im Einklang mit der sachverständigen Einschätzung des Zeugen B. im Strafverfahren, wonach bei der Würdigung der Zeugenaussage der Tochter des Beklagten die Suggestionshypothese nicht zurückgewiesen werden konnte.

 

(c) Noch zulässig ist schließlich auch die letzte den Kläger betreffende Aussage, wonach die Tochter des Beklagten nach der zweijährigen Entfremdung und nach dem ständigen Bestätigungsdruck anfing, „das zu behaupten, was man im XYZ-Heim von ihr wollte, dass sie es behauptet.“ Angesichts der Verwendung des Wortes „wollte“ entnimmt der durchschnittliche Rezipient dem Tweet allerdings die Aussage, die Mitarbeiter des Klägers hätten die Absicht gehabt, dass die Tochter des Beklagten den Beklagten des sexuellen Missbrauchs bezichtigt. Dass die Mitarbeiter des Klägers es darüber hinaus in ihren Vorsatz aufgenommen haben, dass die Bezichtigung nicht der Wahrheit entspricht, hat der Beklagte hingegen nicht geäußert. Der angegriffene Tweet verhält sich auch nicht dazu, seit wann die Mitarbeiter wollten, dass die Tochter des Beklagten diesen belastet. Zwar soll die Tochter die belastenden Aussagen „nach zwei Jahren systematischer Vater-Tochter-Entfremdung“ gemacht haben. Alleine daraus folgt aber nicht, dass während dieses gesamten Zeitraums die behauptete Absicht bereits bestanden hat. Vielmehr erschließt sich aus dem Kontext des angegriffenen Tweets und des vorangegangenen Tweets, dass der behauptete Wille der Mitarbeiter des Klägers darauf gerichtet war, dass die Tochter einen Verdacht, der sich unabhängig von einer zielgerichteten Einwirkung ergeben hatte, lediglich „bestätigt“, wie es in dem vorherigen Tweet ausdrücklich heißt.

 

Ausgehend von diesem Verständnis der Äußerung handelt es sich um eine Meinungsäußerung. Zwar können innere Tatsachen auch Gegenstand einer Tatsachenbehauptung sein (vgl. etwa Senatsurteil vom 13. Juni 2024 – 15 U 70/23, zur Veröffentlichung bestimmt). Allerdings ist insbesondere der Begriff „absichtlich“ ein komplexer Rechtsbegriff, der eine wertende Betrachtung erfordert und bei Verwendung in einem nicht juristischen Text einen wertenden Gebrauch nahelegt (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2016 – I ZR 160/14, AfP 2016, 440 Rn. 31). Vorliegend hat der Beklagte auf die von ihm angenommene Absicht der Mitarbeiter des Klägers ersichtlich nur mit Hilfe von Indizien geschlossen und hat daraus ein subjektives Urteil abgeleitet (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2008 – VI ZR 83/07, AfP 2008, 381 Rn. 19). Ohne eine solche Wertung und allein anhand der äußeren Tatsachen kann die Motivlage der Mitarbeiter des Klägers nicht geklärt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2007 – 1 BvR 2231/03, NJW 2007, 2686, 2688). Die Meinungsäußerung ist – noch – zulässig. Es handelt sich um eine auf Tatsachen fußende Schlussfolgerung und nicht um eine willkürlich aus der Luft gegriffene Wertung. Die Tatsachengrundlage der Wertung besteht im Wesentlichen darin, dass die Tochter des Beklagten, während sie sich in der Obhut des Klägers befand und während dem Beklagten ein unbegleiteter Umgang verwehrt war, den Beklagten in Gesprächen mit Mitarbeitern des Klägers zu Unrecht des sexuellen Missbrauchs bezichtigt hat. Zwar ist die Falschbezichtigung – wie ausgeführt – naheliegender Weise und auch aus heutiger Sicht des Beklagten durch nicht intentionale Suggestionsprozesse verursacht worden. Das lässt es jedoch noch nicht als unzulässig erscheinen, dass der Beklagte in seinem Tweet aus den ihm bekannten äußeren Tatsachen den Schluss gezogen hat, dass Mitarbeiter des Beklagten am Ende des Prozesses den Willen gehabt haben müssen, dass seine Tochter den aufgekommenen Verdacht bestätigt.

 

(2) Der Tweet 15 „Nach dem Verfahren ist sie endgültig völlig abgedreht und XYZ-Heim und Jugendamt haben sie dann als angeblich Schwererziehbare in eine Erziehungsmaßnahme nach Teneriffa abgeschoben.“ ist, soweit er im zweiten Halbsatz den sozialen Geltungsanspruch des Klägers berührt (siehe oben unter Ziffer 1 Buchstabe c), unzulässig. Da der Beklagte die Unterbringung seiner Tochter in einer ausländischen Pflegefamilie durch die Bezeichnung der Tochter als „angeblich Schwererziehbare“ und durch das Wort „abgeschoben“ negativ bewertet und er den Kläger für den Vorgang mitverantwortlich macht, greift die Äußerung in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ein. Das muss der Kläger nicht hinnehmen. Denn die wertende Äußerung enthält einen tatsächlichen Bestandteil, der nicht erwiesenermaßen wahr ist. Der durchschnittliche Rezipient entnimmt dem Tweet die Aussage, dass der Kläger den Umzug der Tochter des Beklagten nach Teneriffa veranlasst oder daran – über die Entlassung der Tochter aus der eigenen Einrichtung hinaus – in irgendeiner Weise mitgewirkt hat. Dass dies tatsächlich der Fall war, lässt sich nicht feststellen. Es fehlt insoweit schon an einem substanziierten Vortrag des Beklagten. Soweit der Beklagte unter Bezugnahme auf die Erörterungen im ersten Verhandlungstermin des Berufungsverfahrens vorgetragen hat, „die fachliche Einschätzung/der fachliche Abschlussbericht des [Klägers sei] natürlich die Grundlage für die Entscheidung des Jugendamtes Anjira in eine Maßnahme nach Teneriffa zu verbringen“ gewesen (Seite 12 des Schriftsatzes vom 17. Oktober 2023), ergibt sich daraus weder, in welcher Weise der Kläger seine Einschätzung zum Ausdruck gebracht hat, noch welchen genauen Inhalt die Einschätzung hatte. Der Hinweis auf die Pflichten des Klägers aus § 81 SGB VIII kann einen substanziierten Tatsachenvortrag nicht ersetzen. Der Kläger hat eine maßgebliche Beteiligung an der Entscheidung über die Unterbringung der Tochter des Beklagten auf Teneriffa ausdrücklich bestritten. (3) Der Tweet „Zusätzlich zu diesen Alltagsmisshandlungen kamen dann immer wieder die Erinnerungen an den realen Missbrauch durch ihren Halbbruder und die Falschbezichtigung ihres Vaters, in die sie von einer perversen Meute von Erwachsenen im XYZ-Heim hineingetrieben worden war.“ 16 ist, soweit er im Relativsatz den sozialen Geltungsanspruch des Klägers berührt (siehe oben unter Ziffer 1 Buchstabe c), ebenfalls unzulässig. Auch wenn auf Grund des noch vorhandenen Sachbezugs eine Schmähkritik noch nicht vorliegen dürfte, muss der Kläger es nicht hinnehmen, dass der Beklagte seine Mitarbeiter als „perverse Meute“ herabsetzt. Es handelt sich um eine grobe Beleidigung, mit der einer ganzen Gruppe von – offenbar gemeinsam agierenden – Mitarbeitern („Meute“) widernatürliche Eigenschaften („perverse“) zugeschrieben werden. Diese grobe Beleidigung hat keinen auch nur ansatzweise nachvollziehbaren Bezug zu dem sachlichen Anliegen des Beklagten, nämlich seiner Auseinandersetzung mit dem Zustandekommen der Falschaussage seiner Tochter.

 

  1. bb) Die in Buchstabe b des Klageantrags wiedergegebenen Tweets aus dem weiteren Thread vom 14. Mai 2020 sind bis auf die sechste Äußerung zulässig.

 

(1) Der Tweet „An der Zerstörung ihres Lebens, für die maßgeblich die Zeit im XYZ-Heim Handorf verantwortlich ist, lässt sich nichts mehr ändern. Aber das Bistum ist nicht bereit, ihr wenigstens posthum durch Aufklärung der damaligen Vorgänge Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.“ ist offensichtlich zulässig. Der erste Satz enthält entgegen den Ausführungen des Klägers keine Tatsachenbehauptung, sondern eine offensichtlich zulässige Meinungsäußerung ohne unwahre tatsächliche Bestandteile. Es ist unstreitig, dass die Tochter des Beklagten in den Jahren 2004 bis 2007 in der Einrichtung des Klägers untergebracht war („die Zeit im XYZ-Heim“) und sie im Jahr 2019 im Alter von 25 Jahren verstorben ist („Zerstörung ihres Lebens“). Dass der Heimaufenthalt nach Auffassung des Beklagten für den frühen Tod seiner Tochter „verantwortlich ist“, ist eine zulässige Wertung, zumal der Beklagte nicht den Kläger, sondern „die Zeit im XYZ-Heim“ für den Tod seiner Tochter verantwortlich macht. Den zweiten Satz greift der Kläger nur insoweit an, als durch ihn im Zusammenhang mit weiteren Äußerungen der Eindruck erweckt werde, der Kläger sei durch Freund- schaft und Verbandelung mit Vertuschungsbeauftragten Teil eines korrumpierten Systems, in dem Missstände einer Aufklärung nicht zugänglich seien. Abgesehen davon, dass der Senat dieser sich vom Text des Threads lösenden Sinndeutung nicht folgen kann, erschließt sich dem Senat auch nicht, warum es dem Beklagten nicht erlaubt sein sollte, den vom Kläger angenommenen Eindruck zu erwecken. Die Äußerung ist offensichtlich zulässig.

 

(2) Für den Tweet „Es ging mir nicht um irgendeine Form von Wiedergutmachung. Nur um die Wahrheit. Das ist schon zuviel verlangt. Der Vertuschungsbeauftragte des Bistums steht so wie ich weiß in langjähriger Beziehung zu den damals Verantwortlichen im XYZ-Heim.“ gelten die Ausführungen zum zweiten Satz des ersten angegriffenen Tweets entsprechend. Dass der Interventionsbeauftragte des Erzbistums mit Herrn Weichert und Frau Knüwer, die das Heim des Klägers in den Jahren 2004 bis 2007 geleitet haben, befreundet ist, bestreitet der Kläger nicht.

 

(3) Aus diesem Grund ist auch der weitere Tweet „Der Vertuschungsbeauftragte des Erzbistums heißt Peter Frings, die mit ihm befreundeten damaligen Leiter dieses verfluchten Heimes Harald Weichert und Schwester Mechthild Knüwer. Besonders Frau Knüwer habe ich in übelster Erinnerung.“ zulässig. Dass der Beklagte die Einrichtung des Klägers als verfluchtes Heim bezeichnet und er bekannt gibt, dass er die frühere Leiterin des Heimes in „übelster Erinnerung“ hat, muss der Kläger zweifellos hinnehmen. Dass der Beklagte in diesem Zusammenhang die beiden früheren Leiter namentlich nennt, begründet jedenfalls keinen Unterlassungsanspruch des Klägers, sondern allenfalls einen Anspruch der früheren Leiter.

 

(4) Der Tweet „Aufklärung kann naturgemäß nur durch eine kompetente, unabhängige Persönlichkeit von außen kommen und nicht durch jemanden, der mit den potentiellen Tätern seit vielen Jahren verbündet und verbandelt ist.“ wird nur insoweit angegriffen als in ihm von „potentiellen Tätern“ die Rede ist. Darin liegt keine Tatsachenbehauptung, sondern eine zugespitzte Bewertung, die der Kläger unter den gegebenen Umständen hinnehmen muss. Beim Adressaten wird nicht die Vorstellung von konkreten tatsächlichen Vorgängen hervorgerufen, die einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2016 – VI ZR 302/15, AfP 2016, 248 Rn. 20).

 

Vielmehr bewertet der Beklagte mit seiner Äußerung die im selben Thread ausführlich geschilderte Behandlung seiner Tochter in der Einrichtung des Klägers und das Zustandekommen ihrer Falschaussage, wobei er den Kläger dafür verantwortlich macht, dass sich die Tochter von ihm entfremdet und sie ihn wahrheitswidrig des sexuellen Missbrauchs bezichtigt hat. Eine solche Bewertung kann dem Beklagten nicht verwehrt werden. Selbst wenn man den vom Beklagten verwandten Begriff „der […] potentiellen Täter“ in einem strafrechtlichen Sinn verstehen wollte, wäre zu berücksichtigen, dass es zu den Garantien der Meinungsfreiheit gehört, dass ein Kritiker prinzipiell auch seine strafrechtliche Bewertung von Vorgängen als seine Rechtsauffassung zum Ausdruck bringen kann, selbst wenn diese objektiver Beurteilung nicht standhält (vgl. BGH, aaO).

 

(5) Noch zulässig ist auch der weitere Tweet „Und neben der Mutter, ihrem Halbbruder als dem wahren Täter, gegen den nicht einmal ermittelt wurde, und deren Anwalt waren es vor allem die Mitarbeiter des XYZ-Heim, die ein vitales Interesse daran hatten, dass sie mich bezichtigte und ich verurteilt werden würde.“ Soweit es darin heißt, dass die Mitarbeiter des Klägers ein „vitales Interesse“ an der Bezichtigung des Beklagten durch seine Tochter und an einer Verurteilung des Beklagten hatten, handelt es sich um zulässige Wertungen. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen unter Doppelbuchstabe aa Ziffer (1) Buchstabe (c), die insoweit entsprechend gelten. Der Beklagte hat nicht geäußert, dass die Mitarbeiter des Klägers daran interessiert waren, dass die Tochter des Beklagten ihn der Wahrheit zuwider bezichtigt und er zu Unrecht verurteilt wird.

 

(6) Der Tweet 19 „Dazu gehörten unter anderem Anzeigen wegen abgestimmter Falschaussagen mit zahlreichen angeblichen Erinnerungslücken der Mitarbeiter des XYZ-Heimes bei diesem Verfahren.“ ist hingegen unzulässig, da er eine unwahre Tatsachenbehauptung enthält. Obwohl der Kläger dies ausdrücklich bestritten hat, hat der Beklagte nicht nachgewiesen, vor der Veröffentlichung des Tweets Mitarbeiter des Klägers wegen angeblicher Falschaussagen angezeigt zu haben. Aus den vom Senat antragsgemäß angeforderten Ermittlungsakten ergibt sich dies nicht. So betreffen die Akten 63 Js 455/21 Staatsanwaltschaft Münster, die ursprünglich unter dem Aktenzeichen 61 Js 129/21 Staatsanwaltschaft Münster geführt worden waren, eine Strafanzeige des Beklagten vom 20. Dezember 2020, auf die sich die bereits am 14. Mai 2020 veröffentlichte Äußerung nicht beziehen kann. Die mit Ausnahme des Urteils vernichteten Akten 63 Js 91/07 Staatsanwaltschaft Münster betreffen das gegen den Beklagten selbst geführte Strafverfahren. Vollständig vernichtet sind nach telefonischer Auskunft der Staatsanwaltschaft die Akten 62 Js 9925/09 Staatsanwaltschaft Münster. Auf all dies hat der Berichterstatter den Beklagten mit Schreiben vom 1. Februar 2024 hingewiesen. Dazu hat der Beklagte sich nicht geäußert. (7) Der Tweet „Seit wir uns 2017 das erste Mal wiedergesehen haben, hat sie mir nach und nach vieles erzählt, was sie auf ihrem Leidensweg durch die deutsche Perversion von Jugendhilfe erlebt und erlitten hat. Nicht nur das mit den Drogen. Das hat sie mir fast bis zum Ende verschwiegen.“ ist zulässig. Er enthält in seinem ersten Satz, soweit der Beklagte die Unterbringung seiner Tochter in einem Heim des Klägers als „Perversion von Jugendhilfe“ bezeichnet, eine scharfe, in tatsächlicher Hinsicht substanzlose Kritik an den Leistungen des Klägers, die dieser unter den gegebenen Umständen hinnehmen muss. Anders als bei dem dritten Tweet aus dem ersten Thread vom 14. Mai 2020 (dazu oben Doppelbuchstabe aa Ziffer [3]) handelt es sich nicht um eine grobe persönliche Beleidigung von Mitarbeitern des Klägers. Die beiden weiteren in den Antrag aufgenommenen Sätze berühren den sozialen Geltungsanspruch des Klägers nicht und werden auch nicht konkret angegriffen.

 

  1. cc) Den unter Buchstabe c des Klageantrags wiedergegebenen Tweet „Meine Tochter (…) ist auch vom Jugendamt auf eine Insel (Teneriffa) verschickt (verschleppt) worden. Dort wurde sie weiterhin vernachlässigt und psychisch misshandelt, so wie zuvor schon in dem XYZ-Heim im Münster(…).“ hält der Senat ebenfalls für noch zulässig. Durch den ersten, in der Replik als unwahre Tatsachenbehauptung angegriffenen Satz ist der Kläger schon nicht betroffen. Soweit der Beklagte dem Kläger im zweiten Satz vorwirft, seine Tochter vernachlässigt und psychisch misshandelt zu haben, handelt es sich um eine zulässige Meinungsäußerung. Die Frage, ob ein Kind in einem Heim vernachlässigt und psychisch misshandelt wird, ist eine Frage – laienhafter oder auch sachverständiger – Bewertung. Der Kläger muss es hinnehmen, dass der Beklagte den Umstand, dass seine Tochter ihn, während sie sich in der Obhut des Klägers befand, der Wahrheit zuwider des sexuellen Missbrauchs bezichtigt hat, zum Anlass für eine scharfe und zugespitzte Kritik an der Behandlung seiner Tochter im Heim des Klägers nimmt.

 

  1. dd) Die unter Buchstabe d des Klageantrags wiedergegebenen Tweets aus dem Thread vom 20. Dezember 2020 sind – abgesehen von zwei Sätzen, die den sozialen Geltungsanspruch des Klägers nicht berühren (dazu oben Ziffer 1 Buchstabe c) – unzulässig. (1) Der Tweet „Das nahende Weihnachtsfest ist für mich Anlass an meine Tochter Anjira-Jasmin Joost zu erinnern, die ich vor einem Jahr beerdigen musste. Eine wesentliche Ursache für ihren unglücklichen Lebensverlauf war der seelische Missbrauch im XYZ-Heim.“ enthält zwar in seinem zweiten Satz wiederum eine Bewertung der Behandlung der Tochter des Beklagten in der Einrichtung des Klägers. Der Tweet muss jedoch im Zusammenhang mit den drei unmittelbar nachfolgenden Tweets gelesen werden, in denen der Beklagte erläutert, worin er den seelischen Missbrauch seiner Tochter sieht. Da diese weiteren Tweets in mehrfacher Hinsicht unwahre Tatsachenbehauptungen enthalten, ist im Kontext mit diesen Tatsachenbehauptungen auch die Bewertung der Tatsachen als seelischer Missbrauch unzulässig.

 

(2) Der Tweet „Auf willkürlichen Verdacht hin, es habe sexuellen Missbrauch durch ihren Vater gegeben, hatte man mit Falschinformationen gegenüber dem zuständigen Familiengericht den Kontaktverlust Vater-Tochter vorsätzlich herbeigeführt.“ enthält zwei unwahre, jedenfalls nicht erweislich wahre Tatsachenbehauptungen.

 

(a) Zum einen entnimmt der durchschnittliche Rezipient dem Tweet, dass ein Verdacht, der Beklagte könnte seine Tochter sexuell missbraucht haben, der Anlass („Auf willkürlichen Verdacht hin“) für die vom Beklagten thematisierte Einschaltung des Familiengerichts gewesen ist. Dies trifft nicht zu. Es lässt sich nicht feststellen, dass ein Verdacht des sexuellen Missbrauchs der „wahre“ Anlass für die Einschaltung des Familiengerichts gewesen ist, die dann zu der Umgangsregelung vom 22. April 2005 ( nur noch begleitete Umgangskontakte mit dem Beklagten) geführt hat. In der vom Beklagten angeführten, als Anlage zum Schriftsatz vom 22. November 2022 vorgelegten Stellungnahme von zwei Mitarbeitern des Klägers, in der diese über begleitete Umgangskontakte zwischen dem Beklagten und seiner Tochter und über die von der Tochter nach dem unbegleiteten Umgangskontakt vom 12. März 2005 gezeigten Verhaltensauffälligkeiten berichten und in der die Mitarbeiter eine Änderung der seinerzeit offenbar geltenden Umgangsregelung empfehlen, ist von einem Missbrauchsverdacht nicht die Rede. Im Einklang damit hat die vom Beklagten benannte Zeugin E., (…), als Mitverfasserin der Stellungnahme bei ihrer Vernehmung durch den Senat ausdrücklich klargestellt, ein Verdacht des sexuellen Missbrauchs sei bei der Formulierung einer Empfehlung für einen begleiteten Umgang „nicht das Anliegen“ gewesen. Die Zeugin, die bis Anfang des Jahres 2006 und damit auch noch nach der familiengerichtlichen Entscheidung für die Tochter des Beklagten zuständig gewesen ist, konnte auch keine genauen Angaben dazu machen, wann bei den Mitarbeitern des Klägers der Verdacht eines sexuellen Missbrauchs zum Nachteil der Tochter des Beklagten entstanden ist. Die Zeugin hat bekundet, ein solcher Verdacht habe sich auf Grund von Verhaltensauffälligkeiten und auf Grund bestimmter Äußerungen im Laufe der Zeit entwickelt. Dabei sei im Übrigen nicht nur der Beklagte, sondern es seien auch die Mutter, die Halbgeschwister und weitere Personen als mögliche Täter in Betracht gezogen worden. Die Zeugin H., (…), die nach ihren Angaben im Frühjahr 2005 nur als Praktikantin in der Gruppe der Tochter des Beklagten tätig war und erst im Oktober 2005 dort mit ihrem Anerkennungsjahr begonnen hat, hat nicht bestätigen können, von einem Verdacht des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil der Tochter des Beklagten vor einem Gespräch erfahren zu haben, das sie im Sommer 2006 mit der Tochter geführt habe und bei dem die Tochter sich ihr gegenüber geöffnet habe. Aus der Aussage des Zeugen B. ergeben sich schließlich ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Verdacht des sexuellen Missbrauchs der „wahre“ Anlass für die Einschaltung des Familiengerichts im Frühjahr 2005 gewesen ist.

 

(b) Des Weiteren trifft es offensichtlich nicht zu, dass der Kläger die Umgangsregelung vom 22. April 2005 durch Falschinformationen herbeigeführt hat; erst recht hat der Kläger dies nicht vorsätzlich getan. Der Beklagte legt schon nicht dar, ob und in welcher Weise das Familiengericht den Kläger überhaupt beteiligt hat, welche Angaben der Kläger gegenüber dem Familiengericht gegebenenfalls gemacht hat und warum solche Angaben falsch gewesen sein sollen. Dass die bereits erwähnte Stellungnahme von zwei Mitarbeitern des Klägers, die dem Familiengericht zur Kenntnis gelangt sein könnte, Falschinformationen enthält, ist nicht ersichtlich. Soweit die Berufungsbegründung angeblich aus einem Bericht des Klägers vom 18. März 2005 zitiert (Seite 19), stammen diese Zitate tatsächlich nicht aus einem Bericht des Klägers, sondern aus einem Bericht der Verfahrenspflegerin der Tochter des Beklagten vom 22. April 2005 (Anlage zum Schriftsatz vom 22. November 2022). Auch aus diesem Bericht ergibt sich nicht, dass der Kläger dem Familiengericht unmittelbar oder mittelbar über die Verfahrenspflegerin falsche Informationen hat zukommen lassen. Entgegen den Ausführungen in der Berufungsbegründung ist auch nichts dafür ersichtlich, dass Mitarbeiter des Klägers die bereits in der Tischvorlage vom 27. Januar 2005 (Anlage zum Schriftsatz vom 22. November 2022) festgehaltenen Verhaltensänderungen gegen- 23 über dem Familiengericht auf den unbegleiteten Umgangskontakt vom 12. März 2005 zurückgeführt haben. (3) Der Tweet „Zwei Jahre lang hat die ehemalige Heimleitung (…) dann zugelassen, dass mein Kind von Mitarbeitern dieser Einrichtung solange bearbeitet wurde, bis es diesen falschen Verdacht bestätigt hat. Namentlich eine Erzieherin namens N. …“ enthält ebenfalls eine nicht erweislich wahre Tatsachenbehauptung. Der durchschnittliche Rezipient entnimmt dem Tweet, dass Mitarbeiter des Klägers, nachdem sie den Beklagten erstmals des sexuellen Missbrauchs verdächtigt hatten, die Tochter des Beklagten über einen Zeitraum von zwei Jahren „bearbeitet“ haben, bis sie den Verdacht bestätigt hat. Diese Behauptung ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht bewiesen. Die Zeugin E. konnte – wie bereits ausgeführt – schon keine hinreichend präzisen Angaben dazu machen, wann der Verdacht des sexuellen Missbrauchs entstanden ist. Zwar muss dies gewesen sein, bevor die Zeugin Anfang des Jahres 2006 die Gruppe, in der die Tochter des Beklagten betreut wurde, verlassen hat. Die Zeugin hat aber nicht bestätigt, dass der Verdacht sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Bezug auf die Person des Beklagten verdichtet hatte. Davon abgesehen hat die Zeugin die Frage, ob es Versuche gegeben habe, mit der Tochter des Beklagten über einen möglichen sexuellen Missbrauch zu sprechen, ausdrücklich verneint. Die Zeugin hat bekundet, die Mitarbeiter des Klägers seien dem Vorwurf insoweit nachgegangen, als sie Kontakt zu einer Psychologin aufgenommen hätten. Es kann danach offensichtlich keine Rede davon sein, dass die Mitarbeiter des Klägers die Tochter des Beklagten zwei Jahre lang bearbeitet haben, bis sie den falschen Verdacht bestätigt hat. Auch aus den Aussagen der Zeugen B. und H.ergeben sich dafür keinerlei Anhaltspunkte.

 

(4) Der vierte angegriffene Tweet 24 „… hatte sich hier besonders hervorgetan, indem sie zu diesem Zweck meine Tochter zu Übernachtungen mit zu sich nach Hause genommen hatte. Als meine Tochter nach dem Verfahren vor dem Landgericht, in das diese Erziehungsverbrecher sie gedrängt hatten, psychisch völlig abdrehte, …“ ist, soweit er den sozialen Geltungsanspruch des Klägers berührt (siehe dazu oben unter Ziffer 1 Buchstabe c), ebenfalls unzulässig. Er enthält in seinem bereits im vorherigen Tweet beginnenden ersten Satz eine ehrenrührige Tatsachenbehauptung, die jedenfalls nicht erweislich wahr ist. Die Zeugin H.,(…) hat bei ihrer Vernehmung in Abrede gestellt, die Tochter des Beklagten deshalb mit zu sich nach Hause genommen zu haben, um mit ihr über einen möglichen sexuellen Missbrauch zu sprechen. Sie gehe vielmehr davon aus, dass der Besuch der Tochter des Beklagten stattgefunden habe, bevor sich die Tochter ihr gegenüber geöffnet habe. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger sich diese für ihn günstigen Bekundungen der vom Beklagten benannten Zeugin stillschweigend zu eigen macht. Auf Grund des Zusammenhangs mit den zuvor behandelten unwahren Tatsachenbehauptungen unzulässig (näher dazu oben unter Ziffer [1]) ist ferner der Relativsatz, in dem Mitarbeiter des Klägers auf Grund der zuvor dargestellten Tatsachen als „Erziehungsverbrecher“ bezeichnet werden.

 

(5) Letzteres gilt auch, soweit im zweiten Satz des folgenden Tweets „wurde sie in eine sogenannte individualpädagogische Massnahme nach Teneriffa abgeschoben. Die vermeintlichen Pflegeeltern stellten sich als weitere Kinderseelenschänder heraus, die mit dem Geld vom Jugendamt sich nur ihren Ruhestand auf der Insel versüßen wollten.“ die Pflegeeltern als – neben den Mitarbeitern des Klägers – „weitere Kinderseelenschänder“ bezeichnet werden und soweit im weiter folgenden Tweet 25 „Die Aufklärung des im XYZ-Heim begangenen Erziehungsverbrechens an meiner Tochter wurde wie üblich zum Schutz der Institution und damit der Täter unterdrückt. Leider erwartet kein Mensch mehr etwas anderes, am allerwenigsten von Vertuschungsbeauftragten wie Herrn F.“ der Beklagte den von ihm behaupteten Sachverhalt als „Erziehungsverbrechen“ bezeichnet.

 

  1. ee) Den im Klageantrag zu e wiedergegebenen Tweet vom 21. Dezember 2020 „Wie ich mittlerweile gesehen habe, kann einer der Tatbeteiligten an den schweren psychischen Misshandlungen meiner Tochter namens S. immer noch sein Unwesen in der Einrichtung treiben – als ‚Gruppenleiter‘. Unfassbar!!!“ hält der Senat für noch zulässig. Er nimmt, soweit ein Mitarbeiter des Klägers als Tatbeteiligter bezeichnet wird, Bezug auf die Ausführungen unter Doppelbuchstabe bb Ziffer (4) und, soweit dem Kläger psychische Misshandlungen vorgeworfen werden, Bezug auf die Ausführungen unter Doppelbuchstabe cc.

 

  1. ff) Für ebenfalls noch zulässig hält der Senat die beiden im Klageantrag zu f wiedergegebenen Tweets vom 1. Mai 2021 „Meine wunderbare Tochter (…) ist in letzter Konsequenz an dieser besonders schweren Form von psychischer Kindesmisshandlung gestorben. Die Haupttäter neben der Mutter selbst: Mitarbeiter des XYZ-Heimes Münster!“ und „Eltern-Kind-Entfremdung ist ein Verbrechen an der seelischen Entwicklung von Kindern! Das ist so. Im Falle meiner Tochter waren es neben der Mutter vor allem die Mitarbeiter des XYZ-Heimes, die dieses Verbrechen an ihr begangen haben.“ Bezüglich des ersten Tweets gilt dies aus den unter Doppelbuchstabe ee genannten Gründen. Auch soweit der Beklagte in dem ersten Tweet ausdrücklich einen Zusammenhang herstellt zwischen dem Handeln des Klägers und dem Tod seiner Tochter, handelt es sich um eine Wertung und nicht um die Behauptung eines nachweisbaren Kausalzusammenhangs. Soweit der Beklagte dem Kläger im zweiten Tweet vorwirft, ein Verbrechen begangen zu haben, nimmt der Senat erneut Bezug auf die Ausführungen unter Doppelbuchstabe bb Ziffer (4).

 

  1. Soweit die angegriffenen Äußerungen nach alledem rechtswidrig sind, ist die Wiederholungsgefahr indiziert. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hat der Beklagte nicht abgegeben.

 

  1. Die Androhung von Ordnungsmitteln folgt aus § 890 Abs. 2 ZPO. Die übrigen prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und § 709 ZPO.

 

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Streitwert des Rechtsstreits beider Instanzen: unter Abänderung der Festsetzung im angefochtenen Urteil 20.000 € (vgl. die Ausführungen des Beklagten auf Seite 36 der Berufungsbegründung)

Bundesverfassungsgericht: 1 BvR 1756/24 (Verfassungsbeschwerde anhängig)