22. August 2023
120.000 EUR Geldentschädigung wegen Veröffentlichung von Nacktvideos auf Pornoseiten

verkündet am 14.06.2023 (Rechtskräftig)

Landgericht Düsseldorf
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil

In dem Rechtsstreit

Az. 12 O 55/22

Klägerin,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte CSP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Weststraße 33, 40597 Düsseldorf,

gegen

Beklagten,

Prozessbevollmächtigte: …

hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 03.05.2023 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht von Gregory, den Richter am Landgericht Dr. Wesselburg und die Richterin Krönig

für Recht erkannt:

1.
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,

Videos, auf denen die Klägerin nackt abgebildet ist und/oder auf denen sie bei sexuellen Handlungen abgebildet ist, wie aus der Anlage CSP 2 ersichtlich, mit oder ohne Angabe ihres Namens zu veröffentlichen, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, wie über die Internetseiten www…….com und www…….com unter den Links

a) https://es.......com/…/…/
https://el.......com/…/…/
https://de........com/…/…/
https://.......com/…/…/
https://fr........com/…/…/
https://it.........com/…/…/
https://pt........com/…/…/
https://ru........com/…/…/
https://tr........com/…/…/
https://zh........com/…/…/

in der Zeit vom 10.02.2021 bis 07.02.2022 geschehen

und

unter den Links

b) https://www........com/…/…_in_louboutin_high_heels
c) https://www........com/…_fickt_sich_hart
d) https://www........com/…_kommt_genusslich
e) https://www.......com/…_blowing_and_fucking_herself
f) https://www........com/…_at_work
g) https://www........com/…_licking_her_nipples_hard
h) https://www.......com/…_blowing_pink_dildo
i) https://www.......com/…_moaning_at_masturbation
j) https://www......com/…_bottle_blowjob
k) https://www.......com/…_orgasm_at_guestroom
l) https://www.......com/…_finger_blowjob
m) https://www.......com/…_fucking_a_long_candle
n) https://www.......com/…_hard_masturbation
o) https://www.......com/…_showering_at_home

in der Zeit vom 12.02.2021 bis zum 07.06.2021 geschehen.

2.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.009,14 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für vorprozessuale Rechtsverfolgungskosten seit dem 21.04.2022 zu zahlen.

3.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin wegen der Handlungen gemäß Ziffer 1. einen Betrag in Höhe von 120.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.04.2022 zu zahlen.

4.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte der Klägerin zum Ersatz aller zukünftigen Schäden verpflichtet ist, die ihr durch Handlungen gemäß Ziffer 1. entstehen.

5.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 13% und der Beklagte 87%.

7.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich der Ziff. 1 (Unterlassung) indes nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,00 € und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. 4

T a t b e s t a n d

Die Klägerin macht Unterlassung, Geldentschädigung, Schadensersatzfeststellung sowie Erstattung von vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen geltend.

Die Klägerin ist ….. eine öffentlich bekannte Person. Sie ist heute …. Der Beklagte ist Immobilienmakler und Inhaber der Firma …, die auf den Verkauf exklusiver und hochpreisiger Immobilien in Luxemburg spezialisiert ist.

Ende des Jahres 2020 lernte die Klägerin über die Mobile-Dating-App „Tinder“ den Beklagten kennen. Er gab sich ihr gegenüber mit falschem Namen als „…“ aus Luxemburg aus. Fortan tauschten die Parteien täglich elektronische Nachrichten (per „Tinder“ oder „WhatsApp“) aus, telefonierten oder kommunizierten per Videotelefonie miteinander. Der Beklagte verstand es dabei das Vertrauen der Klägerin zu gewinnen. Er übersandte nicht nur eigene Fotos und Videos von sich, sondern ließ der Klägerin unter ihrer Wohnanschrift am 14.02.2021 auch einen Blumenstrauß und Pralinen mit dem Begleittext: „Du!!! Liebe Dich…Forever…“ zukommen. Mit zunehmendem Vertrauen wurde die Korrespondenz zwischen den Parteien auch intim (vgl. dazu die Anlage CSP 29). Dabei insistierte der Beklagte zusehends darauf, dass die Klägerin ihm Videos von sich sendete. So kam es, dass sich die Parteien wechselseitig intime Videos zusandten, die – wie den Parteien bewusst war – nicht zur Weitegabe an oder zur Offenbarung gegenüber Dritte(n) bestimmt waren. Im Laufe von mehreren Wochen stellte die Klägerin die eigens und ausschließlich für den Beklagten bestimmten, im Tenor zu 1. von a) bis o) aufgezählten 15 Videos mit ihrem Smartphone her. Diese zeigen sie selbst bei unterschiedlichen Sexualhandlungen (wie z.B. Masturbationsszenen) (vgl. hierzu die auf CD-Rom zur Akte gereichten Video-Dateien). Zu einem persönlichen Treffen kam es wegen wechselnder Hinderungsgründe nicht.

Völlig unerwartet und ohne für sie erkennbaren Anlass brach der Beklagte am 28.02.2021 den Kontakt zur Klägerin abrupt ab und blockierte ihre Telefonnummer bei „WhatsApp“. An diesem Tag gab die Klägerin aufgrund eines unguten Gefühls im Zusammenhang mit der Bemerkung des Beklagten zu einem ihm noch „fehlenden Sextape“ ihren Namen bei der Internetsuchmaschine „Google“ ein und entdeckte unter der Rubrik „Videos“ insgesamt drei der im Klageantrag zu 1.a) genannten URLs des Pornovideoportals „A“. Das dort für jedermann kostenlos abrufbare und abspielbare intime Video war wie die anderen 14 Videos nur für den Beklagten bestimmt und ausschließlich an ihn versandt worden. Der Vor- und Nachname der Klägerin war in der jeweiligen URL eingebettet und auch in der Bezeichnung des Videos genannt. Das im Klageantrag zu 1.a) genannte Video, für das mehrere länderspezifische URLs auf dem Pornovideoportal „A“ existierten, war bei der letzten von der Klägerin veranlassten Sicherung mittels Screenshots auch noch knapp ein Jahr nach dem Upload des Videos am 10.02.2022 unter www.de.A.com abrufbar. Bis dahin war das Video bereits 9.387 Mal angesehen und vier Mal mit „Daumen rauf“ und sechs Mal mit „Daumen runter“ bewertet worden.

Noch am selben Tag, dem 28.02.2021, erstattete die Klägerin gegen „…“ bei der Polizei in Deutschland und rund eine Woche später, am 08.03.2021, auch bei der luxemburgischen Polizei Strafanzeige. Der Polizei nannte die Klägerin die Telefonnummer des Beklagten, unter der sie bis zuletzt korrespondiert hatten und händigte Fotos aus, die er ihr von sich geschickt hatte. Ebenfalls am Tag der Entdeckung des Videos schrieb die Klägerin den Betreiber des Pornovideoportals „A“ per E-Mail an und forderte ihn erfolglos zur Löschung des Videos auf.

Am 02.03.2021 meldete sich der Beklagte bei der Klägerin per E-Mail, indem er von der von ihm verwandten E-Mail-Adresse … eine E-Mail an die berufliche E-Mail-Adresse der Klägerin sandte und behauptete, dass sein iPhone gestohlen worden sei (Anlage CSP 3). Daraufhin beauftragte die Klägerin ihren Prozessbevollmächtigten, der ab dem 03.03.2021 Screenshots von den Ergebnislisten der Suche bei „Google“ (Anlagen CSP 4 bis CSP 6) und von dem Pornovideoportal „A“ (Anlage CSP 7) anfertigte. Obwohl auch der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Betreiber des Pornovideoportals „A“ am 02.03.2021 unter Verwendung des hierfür bereitgestellten Kontaktformulars nochmals wegen Urheber- und Persönlichkeitsrechtsverletzungen zur sofortigen Löschung des Videos aufgefordert hatte, war das Video weiterhin dort abrufbar. Es wurde von dem Pornovideoportal „A“ schließlich am 07.02.2022 gelöscht.

Der Prozessbevollmächtigten der Klägerin erwirkte Mitte März 2021, dass die Suchergebnisse bei „Google“ gelöscht und bei entsprechenden Suchanfragen die URLs des Pornovideoportals „A“ nicht mehr angezeigt werden. Fortan war das Video weiterhin mittelbar über ein Vorschaubild noch aufrufbar.

Ab März 2021 durchsuchte die Klägerin – u.a. mit Hilfe der Suchmaschine „Google“ – regelmäßig das Internet auf etwaige weitere Veröffentlichungen von Videos. Dabei stellte sie am 04.06.2021 fest, dass bei Eingabe ihres Namens bei „Google“ auf den Pornovideoportalen www.B.com und www.C.cc weitere 14, nämlich die in den Klageanträgen 1 b) bis o) aufgeführten Videos unter Angabe ihres vollständigen Namens und einer kompromittierenden URL-Beschreibung verbreitet wurden (vgl. Anlagen CSP 18 und CSP 19). Unstreitig hatte der Beklagte die Videos auf das Pornovideoportal www.B.com hochgeladen, nachdem er dort einen Account mit der Bezeichnung „Vorname/Nachname“ eingerichtet hatte. Die 14 Videos waren auf dem Pornovideoportal www.B.com für jedermann in der Zeit von Februar bis zumindest April oder Juni 2021 kostenlos abrufbar. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin forderte „Google“ mit Schreiben vom 04.06.2021 (Anlage CSP 21) unter Verwendung des hierfür im Internet bereitgestellte Kontaktformulars zur Entfernung der indexierten Links auf. Mit weiterem anwaltlichen Schreiben vom 06.06.2021 (Anlage CSP 22) wurde u.a. der Seitenbetreiber des Pornovideoportals www.B.com bzw. der dort genannte Verantwortliche zur Entfernung der 14 Videos aufgefordert. Die Videos und der von dem Beklagten eingerichtete Account bei dem Pornovideoportal www.B.com sind zwischenzeitlich gelöscht worden.

Der Polizei gelang es schließlich die Identität des Beklagten zu ermitteln. Im Zuge der daraufhin veranlassten Hausdurchsuchung stellte die luxemburgische Polizei am 11.11.2021 das Smartphone und den PC des Beklagten sicher. Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.01.2022 (Anlage CSP 23) mahnte die Klägerin den Beklagten ab und forderte ihn unter Fristsetzung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Löschung der Videodateien aus dem Internet und von privaten Datenspeichern auf. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gab der Beklagte nicht ab. Der Beklagte ließ mit anwaltlichem Schreiben vom 07.02.2022 (Anlage K 1) lediglich mitteilen, dass sich der Beklagte dazu verpflichten könne und werde, von der Klägerin erhaltene Videos nicht mehr hochzuladen. Zudem verwies er darauf, dass er am 01.02.2022 den Betreiber der Internetseite www.de.A.com aufgefordert habe, das dort veröffentlichte Video zu löschen. Daraufhin machte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 11.02.2022 (Anlage CSP 24) eine Geldentschädigung in Höhe von 150.000,00 € sowie Erstattung der vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren geltend. Im Rahmen der vorgerichtlichen Korrespondenz zwischen den Parteien bot der Beklagte zur Erledigung des Rechtsstreits eine Geldentschädigung in Höhe von 7.500,00 € an. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gab er auch in der Folge nicht ab.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe die Videos bewusst und vorsätzlich hochgeladen und insofern mit gezielter Schädigungsabsicht gehandelt. Gegen den von dem Beklagten behaupteten Zweck der bloßen privaten Speicherung der Videos spreche bereits die Art und Weise der Benennung der einzelnen Videos in englischer und deutscher Sprache sowie unter Verwendung ihres vollständigen Namens. Alles deute auf ein geplantes und gezieltes Handeln hin. Soweit der Beklagte behaupte, er habe die Only-Me-Funktion auf dem Pornovideoportal www.B.com aktiveren wollen bzw. aktiviert, damit nur er die Videodateien hätte ansehen können, sei nicht nachvollziehbar, weshalb er die Videos nicht wegen der von ihm gewünschten Geheimhaltung vor seiner Ehefrau und den Kindern auf einem kostenlosen Cloud-Dienst hochgeladen habe. Zudem seien in jedem Fall die personalisierten Angaben „Vorname/Nachname/Alter, weiblich, Deutschland“ und ein Nacktbild von ihr als Profilbild frei zugänglich und abrufbar gewesen. Dieser Maßnahmen hätte es bei der Speicherung zu privaten Zwecken nicht bedurft. Im Übrigen bestreitet die Klägerin die Existenz der behaupteten Only-Me-Funktion. Insgesamt seien die Angaben des Beklagten nicht glaubhaft. So sei es nachweisbar falsch, dass – wie der Beklagte behaupte – das auf dem Pornovideoportal „A“ veröffentlichte eine Video vor den Videos auf dem Pornovideoportal www.B.com veröffentlicht worden sei. Denn der Nutzeraccount auf dem Pornovideoportal www.B.com sei ausweislich der veröffentlichten Profilangaben am 12.02.2021 angelegt worden, während das Video auf dem Pornovideoportal „A“ bereits zwei Tage zuvor am 10.02.2021 hochgeladen worden sei. Dass er die Videos dann zwei Tage später am 12.02.2021 nur persönlich für sich habe speichern wollen, sei somit eine bloße Schutzbehauptung. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass der Beklagte sie gezielt veranlasst habe, die Videos von sich zu erstellen, um sie später bei Pornovideoportalen hochzuladen. Ihr stehe angesichts des Inhalts und des Umfangs sowie der Dauer des auf Pornoseiten im Internet veröffentlichten Videomaterials und des vorsätzlichen Vorgehens wegen schwerer Persönlichkeitsrechtsverletzung eine Geldentschädigung in Höhe von mindestens 150.000,00 € (= 10.000,00 € je Video) zu. Ferner könne sie die vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 7.540,67 € (brutto) unter Berücksichtigung eines Gesamtgegenstandswerts von 870.000,00 € und einer 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zzgl. der Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG erstattet verlangen. Denn der Beklagte hafte nicht nur für das an ihn gerichtete Abmahnschreiben vom 17.01.2022 und das Aufforderungsschreiben vom 11.02.2022 zur Zahlung der Geldentschädigung, sondern als Gesamtschuldner auch für die Durchsetzung der Unterlassungsansprüche sowohl gegenüber den Seitenbetreiber von www.A.de und www.B.com direkt als auch gegenüber „Google“ wegen der Indexierung bzw. Löschung aus den Suchergebnissen. Da nicht auszuschließen sei, dass weitere vom Beklagten zu verantwortende bzw. auf diesen zurückgehende Veröffentlichungen der in Rede stehenden Videos im Internet nachträglich bekannt werden, stehe ihr schließlich für etwaige künftig aus den Handlungen gemäß Klageantrag zu 1. resultierende weitere Schäden bereits jetzt einen Anspruch auf Schadensersatzfeststellung zu.

Die Klägerin beantragt,

hinsichtlich des Klageantrags zu 1. zu erkennen wie geschehen und im Übrigen

2.
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 7.540,67 € zzgl. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz liegender Zinsen für vorprozessuale Rechtsverfolgungskosten seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3.
den Beklagten zu verurteilen, wegen Handlungen gem. Ziffer 1 an die Klägerin eine der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellte, angemessene Geldentschädigung, die einen Betrag in Höhe von 150.000,00 € nicht unterschreitet, zzgl. Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz liegender Zinsen zu zahlen;

4.
festzustellen, dass der Beklagte der Klägerin zum Ersatz auch aller zukünftigen Schädigen verpflichtet ist, die ihr durch Handlungen gem. Ziffer 1. entstehen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er behauptet, er habe die im Klageantrag zu 1.b) genannten 14 Videos, um sie jederzeit ansehen zu können, unter einem sog. Only-me-Account bei dem Pornovideoportal www.B.com hochgeladen, da er sie nicht auf seinem PC oder seinem Mobilfunkgerät habe speichern wollen, um zu verhindern, dass seine Ehefrau oder eines seiner minderjährigen Kinder von den Videos Kenntnis erlange. Dort seien die Videos ausschließlich für ihn und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen. Er habe zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt, dass die Videos öffentlich aufgerufen werden können. Es handele sich um ein unglückliches Versehen, dass die Videos gleichwohl veröffentlicht worden seien. Ihm sei bis zum 17.01.2022 auch nicht bekannt gewesen, dass ein weiteres Video auf www.A.com existiere. Dieses Video sei von ihm kurz vor den anderen 14 Videos hochgeladen worden. Er könne sich den Upload nur so erklären, dass er die Seite geöffnet gehabt habe und versehentlich hochgeladen habe. Einen Account habe er bei www.A.com nicht erstellt, er habe lediglich einige GIFs (Animationen von kurzen Videosequenzen), u.a. auch am 10.02.2021, als das erste Video auf dieser Plattform veröffentlicht worden sei, auf dieser Internetseite erstellt. Hierfür sei es nicht erforderlich, einen Account anzulegen. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass dieses Video automatisch auf der Interseite hochgeladen werde. Die geltend gemachte Geldentschädigung sei angesichts der Gesamtumstände und unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Geldentschädigung übersetzt. Bei von den Betroffenen selbst angefertigten und von diesen an ausgewählte Adressaten verschickten Bildern und Videos (wie z.B. beim sog. Sexting), seien weitaus geringere Geldentschädigungen angezeigt. Denn die Klägerin habe selbst die Ursache für die gegen ihren Willen erfolgte Verbreitung der Videos gesetzt. Schließlich seien bei der Bemessung der Entschädigung auch nicht die Vermögensverhältnisse des Beklagten zu berücksichtigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschrift sowie die nachstehenden Entscheidungsgründe, soweit diese Feststellung enthalten, verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Düsseldorf gemäß § 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 ZPO sachlich und gemäß Art. 7 Nr. 2 EuGVVO örtlich und damit auch international zuständig. Bei den von der Klägerin geltend gemachten Ansprüchen wegen der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts aufgrund eines rechtswidrigen Eingriffs in die absolut geschützte Intimsphäre (bzw. in das Recht am eigenen Bild gemäß §§ 22, 23 KustUrhG) handelt es sich um Ansprüchen aus unerlaubter Handlung. Der soziale Geltungsanspruch der klagenden Partei ist bereits dann erheblich tangiert, wenn auch nur eine Person aus ihrem Lebenskreis die inkriminierten Bilder und Videos zur Kenntnis genommen hat (vgl. BGH Urt. v. 02.03.2010, VI ZR 23/09 – New York Times). Die streitgegenständlichen Videos waren im hiesigen Gerichtsbezirk abrufbar und wurden u.a. von Freunden und Bekannten der Klägerin abgerufen und gesehen. Im Übrigen hat sich der in … ansässige Beklagte rügelos zur Sache eingelassen (Art. 26 EuGVVO).

Schließlich hat die Klägerin gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz EGBGB bestimmt, dass deutsches Recht Anwendung finden soll. Nach dieser Vorschrift kann der Verletzte verlangen, dass anstelle des Rechts des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat (Abs. 1 Satz 1), das Recht des Staates angewandt wird, in dem der Erfolg eingetreten ist.

II.

1.
Der Klägerin steht nach deutschem Recht gemäß §§ 1004, Abs. 1 Satz 2 analog, 823 Abs.1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs.1, 1 Abs.1 GG bzw. § 823 Abs.2 i.V.m. §§ 22, 23 KunstUrhG der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen (schwerer) Persönlichkeitsrechtsverletzung zu.

Die ohne Erlaubnis der Klägerin durch den Beklagten veranlasste Veröffentlichung der im Tenor unter 1.a) und b) bis o) aufgelisteten 15 Videos im Internet stellt jeweils einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin dar. Darstellungen des nackten Körpers zählen ebenso wie der Bereich der Sexualität als Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung zur absolut geschützten Intimsphäre (vgl. BGH, Urt. v. 22.01.1985, Az. VI ZR 28/93; BVerfG, Beschl. v. 13.06.2007, Az. 1 BvR 1783/05, Rn. 88, zitiert nach juris).

Die 15 Videos zeigen die Klägerin in Bild und Ton nackt bei verschiedenen sexuellen Handlungen. Die Klägerin ist somit durch die Veröffentlichung intimster, sie im Bild und durch Namen identifizierender Videoaufzeichnungen sowohl in ihrem Recht am eigenen Bild als auch in ihrem Anspruch auf Achtung ihrer absolut geschützten Intimsphäre verletzt, indem der Beklagte ohne Einwilligung der Klägerin und gegen ihren Willen, private Nacktvideos, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, weltweit im Internet unter Angabe ihres Namens verbreitet hat.

Die Veröffentlichung der Videos auf den Pornovideoportalen www.de.A.com und www.B.com erfolgte unstreitig durch den Beklagten. Der Beklagte hat im Laufe des Verfahrens eingeräumt, dass er auch für das Hochladen des Videos auf www.A.com verantwortlich ist, wenngleich dies – was wenig glaubhaft ist – laut dem Beklagten bei der Erstellung von GIFs versehentlich geschehen sein soll. Da es im Rahmen des Unterlassungsanspruchs nicht auf ein Verschulden ankommt, besteht der mit dem Klageantrag zu 1. geltend gemachte Unterlassungsanspruch unabhängig davon, ob – wie der Beklagte behauptet – die Veröffentlichung lediglich versehentlich erfolgt ist.

Auch die erforderliche Wiederholungsgefahr besteht, da der Beklagte trotz wiederholter Aufforderung und Fristsetzung die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verweigert hat. Dabei begründen bereits die hier vorliegenden Verletzungshandlungen das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr, die grundsätzlich nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung entfällt. Die bloße Aufgabe des rechtsverletzenden Verhaltens oder die einfache schriftliche Ankündigung, dies zu tun, reichen dafür nicht aus (vgl. BGH Urt. v. 02.10.2012, Az. I ZR 82/11, Rn. 58).

Die Androhung von Ordnungsmittel folgt aus § 890 ZPO.

2.
Die Klägerin hat ferner gemäß § 823 Abs.1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs.1, 1 Abs.1 GG bzw. § 823 Abs.2 i.V.m. §§ 22, 23 KunstUrhG i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB wegen der schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzungen Anspruch auf eine Geldentschädigung in Höhe von 120.000,00 €.
Die Schwere der Persönlichkeitsverletzungen im Streitfall rechtfertigt die Zahlung einer Geldentschädigung, die sich nach der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, nach Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie nach dem Grad seines Verschuldens richtet (BGH, Urt. v. 24.11.2009, Az. VI ZR 219/08, Rn. 11, zitiert nach juris; BGH, NJW 1995, 861 864). Der bloß in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch kann die bereits eingetretene massive Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin nicht kompensieren, da eine unüberschaubare Anzahl von Personen – nicht nur aus dem persönlichen Umfeld der Klägerin (Bekannte und Freunde), sondern auch diejenigen, denen die Klägerin aufgrund ihrer sportlichen Erfolge bekannt ist – unwiderrufliche Einblicke in ihr intimes Sexualleben erhalten hat, was allgemein als beschämend und kompromittierend empfunden wird und eines Ausgleichs bedarf.

Das erforderliche Verschulden liegt vor. Der Beklagte handelte – wie eine Gesamtwürdigung ergibt – zumindest bei der Veröffentlichung der Videos im Internet vorsätzlich. Alles spricht dafür, dass er die Videos bewusst und somit auch vorsätzlich veröffentlicht hat. Soweit er in der Klageerwiderung vorträgt, er habe die Videos lediglich versehentlich auf der Internetseite www.B.com veröffentlicht, als er diese in „seinem“ privaten Account („Only-me-Account“) habe speichern wollen, steht dies zu dem von der Klägerin geschilderten zeitlichen Ablauf erkennbar im Widerspruch. Denn das erste oben unter I.1.a) genannte Video wurde am 10.02.2021 auf dem Pornovideoportal www.A.com (u.a. unter https://de.A.com/…/…/) veröffentlicht, während die Veröffentlichungen der 14 weiteren Videos auf dem Pornovideoportal www.B.com erst zwei Tage später, ab dem 12.02.2021, erfolgten, nämlich an dem Tag, an dem der Account eingerichtet worden war. Dies belegen neben dem auf www.A.com genannten Upload-Datum (10.02.2021) auch das dokumentierte Erstelldatum des B-Account sowie die Screenshots der Suchergebnisse bei „Google“ aus dieser Zeit. Insofern kann der Ursprung der Veröffentlichung des ersten Videos im Internet nicht – wie der Beklagte schildert – in der angeblich versehentlich erfolgten Veröffentlichung auf www.B.com liegen. Ein weiteres gewichtiges Indiz für ein vorsätzliches Veröffentlichen liegt in der Art und Weise, wie der Beklagte die Videos bei den beiden Pornovideoportalen benannt hat und welche Angaben er bei der Erstellung des B-Account gemacht hat. Die Benennung der einzelnen Videos in englischer und deutscher Sprache mit entsprechend anzüglichen Titeln zielt erkennbar auf ein breiteres Publikum. Auch ist es nicht nachzuvollziehen, weshalb der Beklagte bei der von ihm angeblichen beabsichtigten Geheimhaltung der „Affäre“ den vollständigen Klarnamen der Klägerin für die Benennung des Accounts verwendet, deren Alter und deren Herkunft („Deutschland“) angibt. Denn für den Geheimnisschutz ist es nicht erforderlich, sondern gerade abträglich, dass der Beklagte die von ihm eingegebenen personalisierte Angaben „, weiblich, Deutschland“ macht und ein Nacktbild von ihr als Profilbild frei zugänglich und abrufbar hoch lädt. In der Tat hätte es dann – wie die Klägerin vorträgt – nähergelegen, dass der Beklagte die Videodateien auf einem kostenlosen Cloud-Dienst hochgeladen hätte. Soweit die Klägerin die Existenz der Only-Me-Funktion bestritten hat, hat der Beklagte die technische Möglichkeit und die genaue Arbeitsweise dieser Funktion auch nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Nach alldem handelt es sich bei der Behauptung, er habe die Only-Me-Funktion auf dem Pornovideoportal www.B.com aktiveren wollen bzw. aktiviert, um eine Schutzbehauptung. Die Angaben des Beklagten hierzu sind insgesamt nicht glaubhaft. Dies gilt auch für das angeblich versehentliche Hochladen des einen Videos auf dem Pornovideoportal www.A.com. Wie bei der Erstellung einer kurzen Videoanimation, eines GIFs, (mit welcher Software?) das in Rede stehende Video konkret verwendet wurde, legt der Beklagte bereits nicht dar. Auch ist nicht nachvollziehbar dargetan, dass das (behauptete) bloße Verwenden einer Videodatei dazu führt, dass diese im Internet veröffentlicht wird. Insofern passt es auch ins Bild, wenn die Klägerin vorgetragen hat, dass sie das zuletzt mit dem Beklagten geführte Telefonat irritiert habe, als dieser zu ihr gesagt habe, dass „der Pornokanal jetzt voll sei, bis auf ein gemeinsames Sextape“.

Erfolgt der Eingriff in die absolut geschützte Intimsphäre – wie hier – durch die Veröffentlichung von Nacktvideos und/oder Sexvideos, sprechen die Gerichte den Geschädigten üblicherweise eine Geldentschädigung von mehreren Tausenden von Euro je Veröffentlichungshandlung zu. Die Höhe der Entschädigung hängt dabei von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Abzustellen ist insoweit insbesondere darauf, unter welchen Umständen und zu welchem Zweck die Bilder bzw. Videos gefertigt wurden, wie der Schädiger an die Bilder bzw. Videos gelangt ist, was auf diesen genau zu erkennen ist, ob die betreffende Person darauf zu erkennen ist bzw. ob Hinweise auf deren Identität gegeben sind, wer von den Bildern bzw. Videos Kenntnis erlangt hat, welche Folgen privater, beruflicher und/oder finanzieller Art die Bekanntgabe der Fotos hatten und aus welchen Motiven heraus (z.B. aus Rache nach einer beendeten Liebesbeziehung) die Veröffentlichung im Internet erfolgte (vgl. LG Düsseldorf Urt. v. 16.11.2011, 12 O 438/11: 5.000,00 EUR für ein Nacktfoto eines Nacktmodells bei einer Malaktion; LG Kiel, Urt. v. 27.04.2006, Az. 4 O 251/05, NJW 2007, 1002: 25.000,00 EUR für drei Nacktfotos im Internet, die die Geschädigte zum Teil vollständig nackt zeigten, wobei zudem deren vollständiger Name und ihre Anschrift genannt wurde; LG Berlin, Urt. v. 07.10.2014, Az. 27 O 166/14: 15.000,00 EUR für die Veröffentlichung eines Privatpornos im Internet; AG Neukölln, Urt. v. 25.03.2021, Az. 8 C 212/20: 3.000,00 EUR für die Versendung eines Fotos und eines kürzeren Sexvideos über einen Messenger-Dienst an eine Verwandte der betroffenen Person nach dem Ende der Liebesbeziehung; OLG Hamm, Urt. v. 20.02.2017, Az.: 3 U 138/15, NJW-RR 2017, 1124: 7.000,00 EUR für ein Foto einer 16-Jährigen, das diese beim Oralverkehr zeigt und OLG Hamm, Urt. v. 03.03.1997, Az. 3 U 132/96, NJW-RR 1997, 1044: 20.000 DM für ungenehmigte Veröffentlichung von Aktfotos auf dem Titelblatt einer Zeitschrift; vgl. hierzu auch die Übersicht bei Krumm, FamRB 2019, 124, 127).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze erachtet die Kammer angesichts des Ausmaßes und der Schwere der Persönlichkeitsverletzungen eine Entschädigung von insgesamt 120.000,00 € für angemessen. Von den 15 Videos enthalten 12 Videos nicht nur Nacktaufnahmen (überwiegend des gesamten Körpers), sondern mehrere Videos auch explizit sexuelle Inhalte und Darstellungen (wie z.B. Masturbationsszenen und (Nah-)Aufnahmen des Intimbereichs und von der Penetration mit einem Sexspielzeug und anderen Gegenständen). Die drei weiteren Videos weisen aufgrund der Handlung und der Bezeichnung („blowjob“) ebenfalls einen erkennbaren sexuellen Bezug auf. Die in Rede stehenden Videos waren bis zur erfolgten Löschung auf insgesamt drei einschlägigen, frei zugänglichen Pornoseiten im Internet weltweit abrufbar, und zwar auf www.B.com für mindestens vier Monate und auf www.A.com knapp ein Jahr. Insgesamt hat der Beklagte 15 Videos selbst hochgeladen. Zudem waren 14 der Videos im Juni 2021 auch unter www.C.cc abrufbar. In sämtlichen vorgenannten Videos ist die Klägerin zu erkennen, da ihr Gesicht meist für längere Zeit zu sehen ist. Darüber hinaus ist in mehreren Videos ihre Stimme zu hören, in einzelnen Videos spricht sie direkt in die Kamera und den Beklagten persönlich an. Die Videos sind überwiegend länger als eine Minute, teils aber auch deutlich länger, nämlich bis zu 6 ½ Minuten lang. Die Videos wurden in Einzelfällen bis zu 9.387 Mal angesehen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Beklagte die Videodateien unter Verwendung des Vor- und Nachnamens der Klägerin entsprechend bezeichnet und die Videos auf www.B.com unter einem eigens von ihm unter ihrem Namen eingerichteten Account veröffentlicht hat. Nicht zuletzt dadurch waren die Videos – wie die Klägerin durch die Ausdrucke von Suchanfragen belegt hat – auch mit Hilfe von Suchmaschinen (wie z.B. Google) ohne Kenntnis der Domains der genannten Internetadressen ohne weiteres auffindbar. Da der Beklagte die von ihm veröffentlichten Videos jeweils mit einem neuen Titel unter dem Namen der Klägerin veröffentlicht hat, handelte er bei jeder Veröffentlichung aufgrund eines neu und selbständig gefassten Tatentschlusses.

Bei der Höhe der Bemessung der Geldentschädigung hat die Kammer auch berücksichtigt, dass der in Luxemburg lebende Beklagte als Immobilienmakler für exklusive und hochpreisige Immobilien tätig und Inhaber der Fa. … ist. Denn bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld nach § 253 Abs. 2 BGB können nach höchstrichterlicher Rechtsprechung alle Umstände des Falles berücksichtigt werden, wobei die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten dabei nicht von vornherein ausgeschlossen werden können (vgl. BGH, Vereinigte Große Senate, Beschluss vom 16.09.2016, Az. VGS 1/16,Rn. 29). Insoweit ist der Hinweis des Beklagten auf den Anfragebeschluss des BGH vom 08.10.2014 überholt.

Schließlich hat die Kammer auch berücksichtigt, dass die Klägerin die Videos selbst aufgenommen und dem Beklagten per Messenger Dienst-App (WhatsApp) übersandt hatte. Die Kammer verkennt somit nicht, dass es sich hier nicht um heimliche Videoaufnahmen von der Klägerin handelt, die ohne Einwilligung veröffentlicht wurden. Aber auch dann, wenn die Veröffentlichung des Videos trotz eindeutiger Bestimmung für den „privaten Gebrauch“ einer einzigen Person, hier dem Beklagten als Empfänger der elektronisch (per WhatsApp) versandten Nachricht bestimmt ist, und das Video dann gleichwohl von diesem im Internet für eine unbestimmte Anzahl an Personen auf einem Pornovideoportal öffentlich zugänglich gemacht wird, liegt ein besonders schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vor.

3.
Der Klägerin steht ferner ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 6.009,14 € gemäß § 823 Abs.1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs.1, 1 Abs.1 GG bzw. § 823 Abs.2 i.V.m. §§ 22, 23 KunstUrhG zu. Bei den ihr entstanden Rechtsanwaltsgebühren handelt es sich um erstattungsfähige Rechtsverfolgungskosten. Die Ausgaben waren aus Sicht der Klägerin erforderlich, um eine weitere Rechtsverletzung möglichst schnell zu unterbinden. Angesichts des einheitlichen Auftrags, gegen die widerrechtliche Veröffentlichung der Videos im Internet vorzugehen, ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht nur gegenüber dem Beklagten tätig geworden (mit der Abmahnung vom 17.01.2022 und dem Aufforderungsschreiben vom 11.02.2022), sondern auch gegenüber den Betreibern der Pornovideoportale www.B.com und www.A.com sowie gegenüber „Google“. Da es sich um eine Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG handelt, ist insofern nach der Rechtsprechung des BGH ein Gesamtgegenstandswert für die vorgerichtliche Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten insgesamt zu bilden, (vgl. BGH, Urt. v. 22.01.2019, Az. VI ZR 403/17). Dieser Gesamtgegenstandswert beläuft sich auf 570.000,00 €.

Im Einzelnen:
Gegenstandswert Abmahnung 150.000,00 €
Geldentschädigung 120.000,00 €
Vorgehen gegen Veröff. unter www.B.com 140.000,00 €
Vorgehen gegen „Google“ hierzu 140.000,00 €
Vorgehen gegen Veröff. unter www.A.com 10.000,00 €
Vorgehen gegen „Google“ hierzu 10.000,00 €

570,000,00 €

Dabei betrifft das Vorgehen gegen Veröffentlichung unter www.A.com entgegen der Annahme der Klägerin nicht zehn verschiedene Videos, sondern nur ein Video, das lediglich unter zehn unterschiedlichen URLs mit abweichenden Länderkennungen („de“, „es“, „fr“ etc.) auf der Internetseite www.A.com abrufbar war, weswegen der Gegenstandswert insoweit bezüglich der vorgerichtlichen Tätigkeit des Klägervertreters gegenüber dem Betreiber des Pornovideoportals „A“ und „Google“ lediglich jeweils mit 10.000,00 € zu berücksichtigen war.

Unter Berücksichtigung der geltend gemachten 1,3 Gebühr ergibt sich ein Betrag von 6.009,14 €.

1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300, 1008 VV RVG 5.029,70 €
Auslagen Nr. 7001 u. 7002 VV RVG 20,00 €
MwSt. 19% 959,44 €
6.009,14 €

4.
Aus den vorstehenden Gründen ist schließlich auch der mit dem Klageantrag zu 4. geltend gemachte Feststellungsantrag begründet. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Klägerin durch das rechtswidrige und schuldhafte Handeln des Beklagten, wie im Tenor zu 1. beschrieben, künftig weitere Schäden entstehen. Denkbar ist insbesondere, dass es künftig zu weiteren Veröffentlichungen der hier streitgegenständlichen Videos kommt, die auf die ursprüngliche Veröffentlichung der Videos durch den Beklagten zurückzuführen sind. Für solche künftigen Schäden hat der Beklagte ebenfalls einzustehen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Der Streitwert wird insgesamt festgesetzt auf 310.000,00 €, davon entfallen auf den Unterlassungsanspruch (Klageantrag zu 1.) 150.000,00 €, auf den Anspruch auf Geldentschädigung (Klageantrag zu 3.) 150.000,00 € und auf den Feststellungsantrag (Klageantrag zu 4.) 10.000,00 €.

von Gregory Dr. Wesselburg Krönig