28. Mai 2019
Influencer: #Alles Werbung oder was?!
Sie berichten aus ihrem Alltag, geben Mode- und Beauty- oder Reisetipps und lassen diejenigen, die ihnen auf Social Media Plattformen folgen, an ihrem Leben teilnehmen. Das ist authentisch und echt und kommt an bei den Followern – und erregt gleichermaßen Aufmerksamkeit von werbetreibenden Unternehmen, insbesondere wenn die Influencer über eine große Anzahl an Follower verfügen. Die Zielgruppe für ein Produkt wird erreicht, vielleicht sogar besser und wirkungsvoller als über ein klassisches Medium. Und so profitieren auch die Influencer durch entsprechende Kooperationen mit Unternehmen – entweder über direkte finanzielle Zuwendungen oder dadurch, dass Produkte oder Dienstleistungen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Genau diese Kooperationen werfen allerdings juristische Fragen auf, die jüngst vermehrt Gegenstand von Abmahnungen und sich daran anschließenden Verfahren vor den Zivilgerichten waren. Die Branche ist in Aufruhr: Unter den Influencern herrscht große Unsicherheit, wann und wie ein Post bei Instagram und Co. zu kennzeichnen ist. Denn bisher gibt es keine einheitliche Rechtsprechung hierzu; die Gerichte vertreten sehr unterschiedliche Auffassungen. Mit einem klaren „Kennzeichnungskompass“ lassen sich viele Klippen aber umschiffen.
Cathy Hummels und der blaue Elefant
Bundesweit für Aufsehen sorgt das Thema „Influencer-Marketing und Schleichwerbung“ spätestens seit dem von Cathy Hummels, Ehefrau von Fußballnationalspieler Mats Hummels, angestrengten Zivilverfahren, das vor dem Landgericht München verhandelt wurde (LG München I, Urt. v. 29.04.2019 – 4 HK O 14312/18). Cathy Hummels wurde vom Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) wegen mehrerer Instagramfotos wettbewerbsrechtlich abgemahnt. Der Verband vertritt die Auffassung, dass Anpreisung und Verlinkung kommerzieller Produkte ohne entsprechende Kennzeichnung stets verbotene Werbung und damit wettbewerbsrechtlich unzulässig sei. Cathy Hummels wirft er konkret vor, für die Platzierung bestimmter Markenprodukte Geld erhalten zu haben, ohne die betreffenden Posts als Werbung zu kennzeichnen. Unter anderem geht es um ein Bild auf Instagram, welches sie gemeinsam mit ihrem Sohn zeigt und auf dem ein blauer Stoffelefant einer – im Bild gut erkennbaren – bekannten Marke zu sehen ist. Anders als ein Kinderwagen, den Cathy Hummels in einem anderen Post ohne Werbekennzeichnung zeigte und der ihr vom Hersteller kostenlos zur Verfügung gestellt wurde, sei der Elefant das Geschenk eines Fans gewesen, verteidigt sich Cathy Hummels. Sie habe mit dem Post keineswegs beabsichtigt, Werbung für den Plüschtierhersteller zu machen. Das Urteil wird frühestens Ende April erwartet.
Unterschiedslose Kennzeichnung aller Posts als Allheilmittel?
Als Konsequenz der rechtlichen Unwägbarkeiten sämtliche Posts mit #Werbung zu kennzeichnen, um „auf Nummer sicher zu gehen“, ist ganz sicher nicht die Lösung. Zum einen ist es mehr als unbefriedigend für den Influencer, wenn er die selbst erworbene und im Instagram-Foto getragene Markensonnenbrille gar nicht aufgrund einer bestehenden oder angestrebten Zusammenarbeit mit dem Label, sondern aufgrund seines persönlichen Modegeschmacks trägt, die Follower aufgrund der Kennzeichnung aber von einer bezahlten Partnerschaft ausgehen. Zum anderen kann der oft zu findende Hinweis #WerbungwegenMarkennennung, #WerbungwegenMarkenerkennung, vielmehr aber noch andere vermeintliche Kennzeichnungen mit erläuterndem Zusatz („Werbung, weil Kumpel verlinkt“, versehen mit einem sich die Augen zuhaltenden Affen-Emoji), über die der Influencer zum Ausdruck bringen will, dass er den Post eigentlich gar nicht für kennzeichnungspflichtig hält, dazu führen, dass die Kennzeichnung in dieser Form wertlos ist. Schließlich entkräftet der Influencer mit seinem Zusatz die Kennzeichnung, da er deren Erforderlichkeit in Abrede stellt. Letztlich hilft also nur eine klare Ausrichtung, wann ein Post mit dem Werbehinweis zu versehen ist und wann getrost darauf verzichtet werden kann.
Learnings aus der bisherigen Rechtsprechung
Nachdem das Landgericht Berlin 2018 im Fall der sich selbstironisch als „Bundesinfluencerin“ bezeichneten VreniFrost entschieden hatte, dass quasi jeder Post als Werbung gilt, wenn der Influencer darin auf den offiziellen Instagram-Account von Modelabeln und Herstellern verlinkt – und zwar selbst dann, wenn die Influencerin das gezeigte Produkt selbst gekauft habe, hat die nächsthöhere Instanz dies nunmehr gerade gerückt. Dem Kammergericht Berlin zufolge ist mitnichten jede Verlinkung durch einen Influencer auf ein Unternehmen als Werbung zu qualifizieren. Es komme vielmehr darauf an, welchen Informationsgehalt die Posts und die Verlinkungen hätten und ob letztere in redaktionellem Zusammenhang mit dem Inhalt des Posts stünden. Ein Post könne demnach auch dann werblich sein, wenn keine Gegenleistung für die Erwähnung einer Marke oder eines Unternehmens erfolgt sei, die Verlinkung aber in keinem Zusammenhang zum redaktionellen Gehalt des Posts stehe. Anders wäre dies aber zu beurteilen, wenn Influencer lediglich ihre Meinung äußern bzw. ihre Follower informieren wollten. Hier bemüht das Kammergericht also letztlich die auch von einigen Influencern vorgetragene Logik des „Influencers als moderne Frauenzeitschrift“: Setzt sich der Influencer im Post mit einem Kleidungsstück auseinander bzw. zeigt und bewertet es, ist dies so zu behandeln wie eine redaktionelle Empfehlung in einer Frauenzeitschrift (keine Werbung) – und gerade nicht wie die als Anzeige gekennzeichnete nächste Seite, die für ein Make-up-Produkt wirbt (Werbung). Das Landgericht hatte zuvor die Rolle bzw. das „Unternehmertum“ des Influencers verstärkt in den Mittelpunkt der Argumentation gerückt. Selbiger erziele Einkünfte damit, dass er Produkte auf besonders authentische und für die Werbeindustrie insofern attraktive Weise vermarkte. Damit verdiene er Geld, umso mehr, je größer die Followerzahl sei. Und selbst, wenn noch keine bezahlte Kooperation bestehe, sei doch anzunehmen, dass genau dies die Intention des Instagram-Accounts sei. Letztlich ginge es darum, dass eigene Unternehmen zu fördern. Diese Auffassung spricht Influencern letztlich das Recht ab, einen Account mit einer Vielzahl von Followern ohne jegliche kommerzielle Interessen zu führen bzw. innerhalb eines „auch unternehmerisch genutzten“ Accounts bisweilen Posts und Bilder hochzuladen, mit denen keinerlei Werbeabsicht verfolgt wird. Dass die Anzahl der Follower für die Beurteilung aber fraglos eine Rolle spielt und ein Berufen auf die rein private Natur des Accounts ab einer gewissen Followerzahl schwierig werden dürfe, ließ die Vorsitzende Richterin im Hummels-Verfahren in der mündlichen Verhandlung im Februar durchblicken: Den Followern sei klar, dass Frau Hummels Instagram-Account nicht rein privat, sondern selbstverständlich kommerziell sei, da sie sicher nicht mit über 450.000 Menschen privat befreundet sei. So Urteile das Landgericht München I am 29.04.2019, dass es sich bei auf Instagram durch Influencer verlinkte Produkte durchaus um eine geschäftliche Handlung im Sinne des § Abs.1 Nr. 1 UWG handelt, weil der Influencer damit sowohl eigene geschäftliche Aktivitäten fördert als auch die des verlinkten Unternehmens. Allerdings verstoße die Verlinkung nicht gegen § 5a Abs. 6 UWG, wenn dafür keine Gegenleistung gewährt würde und auch nicht beauftragt sei, da sich der informierte Verbraucher inzwischen daran gewöhnt hätte, dass Influencer durch ihre Tätigkeit Geld verdienen und durch die Anzahl der Follower und den Umstand, dass es sich um ein öffentliches, mit einem sogenannten „blauen Haken“ versehenes Profil handelt, sichtbar mit dem Post kommerzielle Zwecke verfolgt würden. Mit dieser Einzelfallentscheidung hat das Landgericht München I sicher nicht zu einer Klärung, sondern vielmehr zu noch mehr Verunsicherung beigetragen.
Was sollte man also bei Instagram-Posts beachten?!...
- Die Erwähnung oder Darstellung von Produkten, Marken etc. ist immer Werbung, wenn eine Kooperation mit dem Unternehmen vorliegt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Post gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung (Einladung zu Events, Übernahme von Hotel-/Reisekoste erfolgt.
- Ein Post kann unter Umständen auch dann Werbung darstellen, wenn keine Gegenleistung für die Erwähnung einer Marke oder eines Unternehmens erfolgt ist. Das wird etwa dann der Fall sein, wenn eine Verlinkung im Gesamtkontext nicht redaktionell wirkt, sondern auf werbliche Absichten des Influencers schließen lässt.
- Einige Gerichte sahen bisher in der Verlinkung auf kommerzielle Instagram-Accounts (von Modefirmen) an sich bereits eine Kennzeichungspflicht auslösende werbliche Komponente, selbst wenn keine Kooperation mit dem Unternehmen bestand und auch keine Produkte kostenlos zur Verfügung gestellt wurden.
- Sofern keine Kooperation vorliegt, stellt die Erwähnung und Darstellung von selbst gekauften Produkten in der Regel keine Werbung dar. Selbst eine positive Produktvorstellung (Achtung: Grenze zu eine Kennzeichnungspflicht auslösenden werblichen Produktanpreisung fließend) ist unschädlich, sofern diese aus „eigener Überzeugung“ und nicht aus wirtschaftlichen Gründen und mit Werbeabsicht erfolgt.
- Mit steigender Followeranzahl wird die Argumentation eines rein aus privaten Gründen und ohne kommerzielle Interessen betriebenen Accounts schwierig.
- Auch bei einem jedenfalls zum Teil mit unternehmerischer Absicht betriebenen Account ist aber wohl nicht zwingend jeder Post, in dem eine Marke (etwa auf einem Foto) zu sehen ist, kennzeichnungspflichtig.
- Besteht Kennzeichnungspflicht, muss es für die Follower bzw. Nutzer auf den ersten Blick erkennbar sein, dass es sich um Werbung handelt. Insofern empfiehlt es sich, eine prominente Platzierung der Kennzeichnung vorzunehmen und aus den klassischen Medien gelernte Begrifflichkeiten zu verwenden („Werbung“). Von einem „#ad“, versteckt in einer Hashtag-Wolke, sollte man also besser absehen.
- Ist eine Werbekennzeichnung nicht erforderlich, sollte man darauf auch verzichten.
- Es macht Sinn, auf seinem Account klaren Leitlinien beim Umgang mit der Kennzeichnungspflicht zu folgen („Kennzeichnungskompass“).
- Beim Erhalt einer Abmahnung besteht keinerlei Grund in Panik zu verfallen, sondern lediglich Anlass kompetenten Rechtsrat einzuholen!