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10.000,00 EUR Geldentschädigung erstreitet ein beliebter Bundestagsabgeordneter wegen politischer Anmaßung seines Namens und guten Rufs in einer Internetwerbung als angeblicher Redner auf einer politischen Veranstaltung einer rechtsextremen Partei. Die Klage liegt nun dem Bundesgerichtshof vor, nachdem das OLG Dresden eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung im Berufungsverfahren überraschend abgelehnt hatte.

 

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jährlich seit dem 27.5.2023 zu bezahlen.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.626,49 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jährlich seit dem 27.5.2023 zu bezahlen.
  3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. und beschlossen: Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger fordert eine Geldentschädigung mit der Begründung, die Beklagte habe sein Persönlichkeitsrecht durch die Veröffentlichung eines Textes im Internet schwer verletzt. Der Kläger ist d(…)Bundestagsabgeordneter (…). Diese erklärt in einer Imagebroschüre u.a.: „Wir (…) stellen uns gemeinsam dem Rechtsruck entschieden entgegen“ (Anlage CSP 9). Die Beklagte wird vom Sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz als „rechtsextremistische Kleinstpartei“ beschrieben (Anlage CSP 8). Der Kläger hatte für den 05.09.2022 auf dem Augustusplatz vor der Leipziger Oper für 19:00 Uhr eine Demonstration unter dem Titel „Preise runter – Energie und Essen müssen bezahlbar sein“ bei den zuständigen Behörden angemeldet. Nach dieser Anmeldung meldete die Beklagte ebenfalls eine Demonstration für den 05.09.2022 ab 19:00 Uhr auf dem Augustusplatz direkt gegenüber der Oper vor dem Gewandhaus Leipzig unter dem Titel „Freie Sachsen unterstützen den Montagsprotest von (…) und (…) – Gemeinsam gegen die da oben“ an. Ab dem 31.08.2022 um 17:48 Uhr veröffentlichte die Beklagte über den von ihr bei dem Instant-Messengerdienst Telegram im Internet betriebenen eigenen Nutzeraccount „FREIE SACHSEN“ einen Text mit der Überschrift „Getrennt marschieren, gemeinsam schlagen!“. Unmittelbar darunter sind 6 Namen aufgelistet, unter denen sich auch die Namen des Klägers und des Bundestagsabgeordneten der Partei DIE LINKE Gregor Gysi befinden. In dem anschließenden Text steht unter anderem: „Am nächsten Montag werden auf dem Augustusplatz in Leipzig die verschiedensten politischen Lager der Opposition zusammentreffen, um gemeinsam gegen die Energie- und Sanktionspolitik der Regierung auf die Straße zu gehen“. Wegen der weiteren Einzelheiten des Textes wird auf die Anlage CSP 2 Bezug genommen. Der Kläger wurde am Morgen des 01.09.2022 von Dritten auf die Veröffentlichung aufmerksam gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war der Beitrag bereits von 65.100 Nutzern von Telegram angesehen worden. Nachdem der Kläger die Beklagte mit E-Mail seiner Anwälte vom selben Tag um 12.34 Uhr vergeblich zur Löschung aufgefordert hatte, erwirkte er am 02.09.2022 eine einstweilige Verfügung, in welcher der Beklagten untersagt wurde, den Namen „(…)“ in dem auch hier streitgegenständlichen Beitrag zu benutzen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen. Der Kläger ließ die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 02.02.2023 vergeblich zur Abgabe einer Abschlusserklärung und Erstattung der vorprozessualen Anwaltskosten des Abmahnschreibens und des Abschlussschreibens sowie zur Zahlung von 10.000,00 € wegen des Eingriffs in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht auffordern. Der Rechtsanwalt des Klägers, der nicht Abonnent des genannten Telegram-Kanals ist, konnte diesen abrufen und den als Anlage CSP 2 eingereichten Screenshot selbst herstellen. Der Kläger meint, durch die streitgegenständliche Veröffentlichung sei er in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht schwerwiegend verletzt worden.

 

Der Kläger beantragt,

 

  1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger wegen der Veröffentlichung vom 31.08.2022 über den Messengerdienst Telegram einen angemessenen Betrag, zzgl. 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz liegender Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen, dessen genaue Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Mindestbetrag von 10.000,00 EUR allerdings nicht unterschreiten sollte;

 

  1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.626,49 EUR zzgl. 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz liegender Zinsen seit Rechtshängigkeit für die Kosten des Abschlussschreibens zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Die Beklagte meint, eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liege nicht vor, denn die Stoßrichtung der politischen Bestrebungen der Parteien ginge in die gleiche Richtung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Parteien haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 128 Abs. 2 ZPO zugestimmt.

 

Entscheidungsgründe

 

I.) Die Klage ist zulässig und begründet.

 

1.) Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf eine angemessene Geldentschädigung in Höhe von 10.000,00 € zu.

 

  1. a) Die Forderung steht ihm dem Grunde nach gemäß § 823 Abs.1 BGB in Verbindung mit Art.2 Abs.1 und Art.1 Abs.1 GG wegen der schwerwiegenden Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu.

 

(1) Die Beklagte hat in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen, indem sie seinen Namen in dem streitgegenständlichen Text ungefragt und mutmaßlich gegen dessen Willen verwendete. Sie hat den Namen des Klägers auf diese Weise unbefugt zu Werbezwecken verwendet, denn sie wollte damit auf sich und ihre Demonstration aufmerksam machen, wobei der Name des Klägers durch den Fettdruck, besonders große Buchstaben und die Stellung gleich nach der Überschrift in herausgehobener Weise dargestellt wird. Der Kläger oder seine Partei und die Beklagte hatten auch keineswegs die Absicht, „gemeinsam gegen die Energie- und Sanktionspolitik der Regierung auf die Straße zu gehen“, vielmehr gab es keinerlei Äußerungen des Klägers oder seiner Partei, aus denen auf eine solche gemeinsame Aktion geschlossen werden konnte. Dass der Kläger selbst als Politiker in die Öffentlichkeit getreten ist, ist unbeachtlich, weil es vorliegend nicht darum geht, überhaupt in politischem Zusammenhang bekanntgemacht zu werden, sondern um die Darstellung der Zusammenarbeit mit dem politischen Gegner.

 

(2) Die Verwendung des Namens des Klägers ist auch ein rechtswidriger Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht, denn die gebotene Abwägung zwischen dem Schutzinteresse des Klägers und dem Recht der Beklagten auf Meinungs- und Äußerungsfreiheit nach Art.5 GG sowie auf Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes nach Art. 21 GG führt zu dem Ergebnis, dass das Schutzinteresse des Klägers überwiegt. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse daran, nicht mit der Beklagten und deren politischem Wirken in Verbindung gebracht zu werden, denn die Partei, deren Mitglied er ist und für die er zum Mitglied des Bundestages gewählt geworden ist, verfolgt Überzeugungen und Ziele, die denen der Beklagten diametral entgegengesetzt sind. Gerade auch wegen der viel diskutierten „roten Linie“ als Abgrenzung zwischen Parteien muss er befürchten, Vorwürfen und verbalen Angriffen der Mitglieder seiner und anderer Parteien ausgesetzt zu werden, wenn er als Teilnehmer und sogar Redner bei einer Demonstration der Beklagten wie im streitgegenständlichen Artikel bekannt gemacht wird.

 

Entgegen der Einwendung der Beklagten ist die Nennung des Namens des Klägers auch gerade nicht geeignet, weitere Teilnehmer an der Demonstration der klägerischen Partei zu gewinnen; vielmehr liegt nahe, dass durch die Behauptung eines „gemeinsamen Gangs auf die Straße“ Personen von der Teilnahme gerade abgehalten werden. Die Beklagte hat demgegenüber kein berechtigtes Interesse, wahrheitswidrig öffentlich zu behaupten, bei den Demonstrationen handele es sich nicht nur um zeitgleich stattfindende Ereignisse, sondern um eine „gemeinsame“ Veranstaltung und ein Zusammentreffen verschiedenster politischer Lager mit einem gemeinsamen Ziel.

 

(3) Es handelt sich um eine schwere rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung, denn die Kooperation mit einer anderen Partei berührt die Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft eines Politikers in der öffentlichen Wahrnehmung regelmäßig in ihrem Kern und hat deshalb eine entscheidende Bedeutung für den weiteren Erfolg von politischen Bemühungen. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass der Text lediglich vom 31.08.2022 bis zum 03.09.2022 auf dem Kanal „Telegram“ veröffentlicht wurde, denn zum einen ist damit zu rechnen, dass der Text kopiert und weitergeleitet wurde, zum anderen ist die behauptete Kooperation so ungewöhnlich, dass sie geeignet ist, auch nach der Löschung Gegenstand von politischen Gesprächen zu sein.

 

(4) Es besteht kein Zweifel daran, dass die Beklagte schuldhaft handelte, denn politischen Parteien und ihren Vertretern ist die Bedeutung der Kooperation zwischen Parteien und Politikern regelmäßig überaus bewusst, so wie sie im streitgegenständlichen Text gerade für eigene Zwecke genutzt wurde; darüber hinaus ist der Vorsitzende der Beklagten als Rechtsanwalt rechtskundig.

 

(5) Eine andere Möglichkeit, die verursachte Beeinträchtigung auf andere Weise befriedigend auszugleichen, ist nicht ersichtlich. Hierzu ist insbesondere nicht die Verteidigung gegen die trotz anwaltlicher Abmahnung fortdauernde Rechtsverletzung mittels der einstweiligen Verfügung geeignet, weil sie sich in der Beendigung der Rechtsverletzung erschöpft und keinen Ausgleich für die bereits eingetretene Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bietet.

  1. b) Angesichts des Ausmaßes und der Schwere der Persönlichkeitsverletzung erachtet die Kammer eine Entschädigung von insgesamt 10.000 € für angemessen. Bei der Bemessung der Höhe der Geldentschädigung sind die gesamten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Schädigers, der Grad des Verschuldens sowie die Intensität der Persönlichkeitsverletzung. Vorliegend ist von besonderer Bedeutung, dass der Kläger in seiner Persönlichkeit als Politiker der (…)partei durch die behauptete Kooperation mit einer „Rechtspartei“ verletzt wurde und dass die Beklagte durch die Veröffentlichung bewusst versuchte, Anhänger des politischen Gegners für ihre Zwecke zu vereinnahmen, und dabei Nachteile für den Kläger als politischen Gegner in Kauf nahm oder gar anstrebte. Die Bagatellisierung ihres Verhaltens als eine „regelmäßig mit harten Bandagen geführte(n) politische(n) Auseinandersetzung“ hat zusätzlich Bedeutung hinsichtlich der Genugtuungsfunktion der Geldentschädigung. Angesichts der Rechtskunde ihres Vorsitzenden und der Unüblichkeit eines solchen Vorgehens auch „im harten politischen Kampf“ erscheint es angemessen, dem Präventionsaspekt besonderes Gewicht beizumessen. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass der Kläger nicht dargelegt hat, dass er konkrete Anhaltspunkte dafür habe, dass Personen tatsächlich von der Wahrheit der Behauptung einer Zusammenarbeit der Parteien ausgegangen seien oder dies auch nur für möglich erachtet hätten. Für die Zuerkennung einer höheren Geldentschädigung sieht die Kammer daher keinen Anlass. Der vorliegende Sachverhalt ist im Übrigen in seinem Ausmaß auch nicht ansatzweise mit demjenigen zu vergleichen, der der vom Kläger zitierten Entscheidung des LG Düsseldorf vom 14. Juni 2023 – 12 O 55/22 –, juris, zugrunde lag.

 

  1. c) Der insoweit geltend gemachte Zinsanspruch steht dem Kläger gemäß §§ 286 Abs.1 S.2, 288 BGB zu.

 

2.) Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten steht dem Kläger gemäß §§ 823 Abs.1, 249 BGB zu, denn die Einschaltung eines Rechtsanwalts war eine erfolgversprechende Maßnahme der Rechtsverteidigung. Der insoweit geltend gemachte Zinsanspruch ist gemäß §§ 286 Abs.1 S.2, 288 BGB begründet.

 

II.) Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

Bundesgerichtshof, Az. VI ZR 426/24 (anhängig)