12. November 2014
PRESSERECHT | Bundesverfassungsgericht zur Eilbedürftigkeit eines Auskunftsanspruchs der Presse bzw. Medien
Das Bundesverfassungsgericht hat am 08. September 2014 einer Verfassungsbeschwerde der Rechtsanwaltskanzlei Schertz Bergmann Berlin auf einstweilige Auskunftserteilung eine Absage erteilt. Der Beschwerdeführer begehrte vor dem bei Streitigkeiten mit dem Bundesnachrichtendienst in erster Instanz zuständigen Bundesverwaltungsgericht Auskünfte über die Ausfuhr von sogenannten Dual-Use-Gütern nach Syrien. Die Auskunft war vorgerichtlich vom BND mit dem Hinweis auf die Geheimhaltungspflicht abgelehnt worden. Der BND sei nur gegenüber der Bundesregierung und den zuständigen Gremien des Bundestages zur Auskunft verpflichtet. Die Eilbedürftigket seines Antrags begründete der Beschwerdeführer damit, dass er zur Prüfung der Plausibilität bereits erworbener Informationen auf die Auskunft angewiesen sei und die Durchführung eines langwierigen Hauptsachverfahrens die Gefahr berge, dass sich die Anfrage durch die rasch voranschreitende politische Entwicklung in Syrien wie auch durch neue Agenden eine Berichterstattng aller Wahrscheinlichkeit nach erledigt. Das Bundesverwaltungsgericht erkannte in dem Vorgehen des Beschwerdeführers gleichwohl eine Vorwegnahme der Hauptsache. Die vorgesehene Berichterstattung als solche bliebe auch nach einer späteren Entscheidung noch möglich. Die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde des Redakteurs wegen Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 5 Abs.1 GG und Verstoßes gegen den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen. Das Bundesverfassungsgericht hat es sich gleichwohl nicht nehmen lassen, in einer ausführlichen Begründung darzulegen, unter welchen Voraussetzungen ein Eilrechtsschutz der Presse auf Information- und Auskunftserteilung gegenüber Behörden anzunehmen sei. Das Bundesverfassungsgericht führt in seinem Beschluss hierzu aus (RN 28 f.):
"Verfassungsrechtlich bedenklich ist es allerdings, wenn das Bundesverwaltungsgericht bei seiner auf seiner auf das Anordnungsverfahren begrenzten Maßstabsbildung davon ausgeht, dass eine gewisse Aktualitätseinbuße von der Presse regelmäßig hinzunehmen sei und eine Ausnahme „allenfalls“ dann vorliege, wenn Vorgänge in Rede stünden, die unabweisbar einer sofortigen, keinen Aufschub duldenden journalistischen Aufklärung bedürften, etwa wenn manifeste Hinweise auf aktuelle schwere Rechtsbrüche staatlicher Stellen vorlägen oder ein unmittelbares staatliches Handeln zur Abwehr von Gemeinwohlgefahren dringend gefordert sein könnte. Diese Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts führt den schweren Nachteil zu eng und legt damit einen Maßstab an, der die Aufgabe der Presse in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat nicht hinreichend berücksichtigt. Die Aufgabe der Presse ist vornehmlich die Information der Bevölkerung als Grundlage der öffentlichen Meinungsbildung (vgl. BVerfGE 10, 118 <121>; 101, 361 <389>). Grundsätzlich entscheidet die Presse in den Grenzen des Rechts selbst, ob und wie sie über ein bestimmtes Thema berichtet. Das „Ob“ und „Wie“ der Berichterstattung ist Teil des Selbstbestimmungsrechts der Presse, das auch die Art und Weise ihrer hierauf gerichteten Informationsbeschaffungen grundrechtlich schützt (vgl. BVerfGE 10, 118 <121>; 101, 361 <389>; 107, 299 <329>). Unter das Selbstbestimmungsrecht in zeitlicher Hinsicht fällt auch die Freiheit der Presse, zu entscheiden, ob eine Berichterstattung zeitnah erfolgen soll. Kann sich die Presse im Wege gerichtlichen Eilrechtsschutzes von öffentlichen Stellen aber solche Informationen nur unter den Voraussetzungen beschaffen, die das Bundesverwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung nennt, so begrenzt dies im Blick auf die Pressefreiheit den vorläufigen Rechtsschutz unverhältnismäßig. Zwar genügt es, wenn Eilrechtsschutz nur gewährt wird, wo ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung vorliegen (so beispielsweise VG Köln, Beschluss vom 27. August 2009 - 6 L 918/09 -, Rn. 12, juris; siehe auch Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 13. August 2004 - 7 CE 04.1601 -, juris; VG Dresden, Beschluss vom 7. Mai 2009 - 5 L 42/09 -, Rn. 68 ff., juris). Dies kann jedoch nicht deshalb verneint werden, weil die Berichterstattung nicht auf unaufschiebbare Berichte wie die Aufdeckung von schweren Rechtsbrüchen staatlicher Entscheidungen ziele und sie im Übrigen auch später möglich bleibe; denn dies ist angesichts der Fähigkeit der Presse, selbst Themen zu setzen, immer denkbar. Vielmehr kann die Presse ihre Kontroll- und Vermittlungsfunktion nur wahrnehmen, wenn an den Eilrechtsschutz in Auskunftsverfahren auch hinsichtlich der Aktualität einer Berichterstattung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden.
Dennoch ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Ergebnis nicht zu beanstanden. Denn für den konkreten Fall hat das Bundesverwaltungsgericht das Vorliegen eines Anordnungsgrundes verfassungsrechtlich unbedenklich verneint. Zu Recht geht es davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht hinreichend deutlich gemacht hat, warum seine Anfrage, die sich auf Vorgänge der Jahre 2002 bis 2011 bezieht, nun eine solche Eile zukommt, dass hierüber nur im Wege einstweiligen Rechtsschutzes, zumal unter einer Vorwegnahme der Hauptsache, entschieden werden kann. Zwar können auch zurückliegende Vorgänge unter veränderten Umständen plötzlich eine Relevanz bekommen, die eine Eilbedürftigkeit begründet. Wenn der Beschwerdeführer jedoch Auskünfte über solche zurückliegenden Vorgänge verlangt, so obliegt es ihm, näher dazu vorzutragen, warum er für die jetzige Berichterstattungsabsicht sogleich Einsicht in diese Dokumente benötigt und warum diese Berichterstattung ohne diese Dokumente in nicht hinzunehmender Weise erschwert wird. Dafür genügt es nicht, lediglich darauf zu verweisen, dass aktuell über die Lage in Syrien sowie in diesem Zusammenhang über Dual-Use-Exporte berichtet wird und eine solche Berichterstattung im öffentlichen Interesse liegt. Es ist dem Beschwerdeführer zuzumuten, näher darzulegen, warum er gerade die angefragten Dokumente für eine effektive Presseberichterstattung sofort benötigt. Wenn er insoweit darauf verweist, dass er die Plausibilität der Aussagen der Bundesregierung zu diesen Exporten durch die angeforderten Unterlagen überprüfen möchte, so folgt aus diesem bloßen Verweis auf die Notwendigkeit der Unterlagen zur Berichterstattung jedoch noch nicht unmittelbar die Eilbedürftigkeit. Angesichts der nicht dargelegten Eilbedürftigkeit liegt keine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG durch den Maßstab des Bundesverwaltungsgerichts vor."
Fundstelle: http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20140908_1bvr002314.html
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