31. März 2010
MARKENRECHT | Marlene Dietrich Bildnis II | CSP Rechtsanwälte Düsseldorf
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZB 62/09
Marlene-Dietrich-Bildnis II
a) Zeichen oder Angaben, die sonst als Werbemittel verwendet werden, ohne dass sie für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen beschreibend sind, kann nicht schon wegen einer solchen Verwendung die Eintragung als Marke versagt werden.
b) Bei der Prüfung des Eintragungshindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist im Wege einer Prognose zu ermitteln, ob dem angemeldeten Zeichen von Haus aus Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren und Dienstleis-tungen zukommt. Dabei sind die in der betreffenden Branche bestehenden Verkehrsgepflogenheiten sowie - wenn das angemeldete oder ein ähnliches Zeichen bereits benutzt wird - die Kennzeichnungsgewohnheiten und die tatsächliche Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrsteilnehmer zu berücksichtigen. Die Wahrnehmung des Verkehrs, ob ein Zeichen im Einzelfall als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betreffenden Ware oder Dienstleistung verstanden wird, kann auch dadurch beeinflusst werden, dass Mar-ken bei den betreffenden Waren oder Dienstleistungen üblicherweise an be-stimmten Stellen angebracht werden.
c) Einer Beschränkung der Marke darauf, dass der Schutz nur für die Anbrin-gung des Zeichens an einer bestimmten Stelle begehrt wird (sogenannte Po-sitionsmarke), bedarf es nicht, wenn - wie im Regelfall - praktisch bedeutsa-me und naheliegende Möglichkeiten der Anbringung des Zeichens an verschiedenen Stellen auf oder außerhalb der Ware oder Dienstleistung in Be-tracht kommen, bei denen das Zeichen vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden wird.
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. März 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Bergmann und Dr. Koch
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der Beschluss des 29. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgrichts vom 13. Mai 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe:
I. Die Anmelderin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Ein-tragung der Bildmarke
für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 9, 14, 15, 16, 18, 21, 25, 28, 33, 34, 35, 38, 41 und 42 beantragt.
Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft teilweise zurückgewiesen.
Die dagegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben (BPatG GRUR 2006, 333). Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde der Anmelderin hat der Senat die Beschwerdeentscheidung aufgehoben, soweit die Anmeldung für folgende Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen worden ist:
Waren aus Papier und Pappe (soweit in Klasse 16 enthalten); Geld, selbstkle-bende Folien und Bänder für dekorative Zwecke; Tagebücher; Bekleidungsstü-cke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Sportbekleidung, Sportschuhe; Damen-unterwäsche; Damenoberbekleidung; T-Shirts, Sweat-Shirts, Hemden und Blusen, Hosen, Röcke, Badebekleidung, Strandkleider, Kopfbedeckungen; Schlaf-anzüge und Nachtwäsche; Regenbekleidung; Pullover, Krawatten, Schals, Gür-tel; sportliche Aktivitäten.
Insoweit ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen worden (Senatsbeschl. v. 24.4.2008 - I ZB 21/06, GRUR 2008, 1093 = WRP 2008, 1428 - Marlene-Diet-rich-Bildnis I).
Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde wiederum zurückgewiesen (GRUR 2010, 73). Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die An-melderin ihr Eintragungsbegehren weiter.
II. Das Bundespatentgericht hat dem angemeldeten Bildzeichen die Ein-tragung als Marke für die noch in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) ver-sagt, weil die von ihm nach Zurückverweisung der Sache getroffenen tatsächli-chen Feststellungen zu naheliegenden Verwendungsmöglichkeiten des Bildzei-chens nicht zu dem Ergebnis geführt hätten, dieses werde vom angesproche-nen Publikum als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden. Zur näheren Be-gründung hat das Bundespatentgericht ausgeführt:
Porträtfotos oder andere naturgetreue Abbildungen bekannter Personen seien unabhängig davon, ob sie im Zusammenhang mit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung stünden, in den beanspruchten Branchen nicht als übliche Art der markenmäßigen betrieblichen Herkunftskennzeichnung aufzufinden. Angesichts dieser eindeutigen Situation im Marktauftritt der beanspruchten Waren und Dienstleistungen sei insofern auch keine Gewöhnung bei den Verbrauchern eingetreten, die es in deren Wahrnehmung als naheliegend erscheinen lasse, ein Porträtfoto nicht nur als Ausdruck einer Fangesinnung, einer Sympathiebekundung oder im Sinne eines werbemäßigen Imagetransfereffektes, sondern als betrieblichen Herkunftshinweis wahrzunehmen.
Der nach der Zurückverweisung der Sache durch weitere tatsächliche Feststellungen zu klärende Punkt ziele auf die im Marktauftritt bereits vorhandenen, praktisch bedeutsamen und damit für das Publikum naheliegenden mar-kenmäßigen Verwendungsmöglichkeiten solcher Bildzeichen zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung und damit als Marke ab. Danach habe in den Branchen "Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen" für keine der beanspruchten Waren die Verwendung eines Porträtfotos oder sonst eines na-turgetreuen Bildes einer allgemein bekannten Person, nicht einmal von Modeschöpfern selbst, in der in der Rechtsbeschwerdeentscheidung beschriebenen Weise als auf den Waren angebrachtes Einnähetikett und damit möglicherweise als Marke festgestellt werden können.
Hinsichtlich der Waren "Waren aus Papier und Pappe (soweit in Klas-se 16 enthalten); Tagebücher; Gürtel" sowie der Dienstleistungen "sportliche Aktivitäten" seien gleichfalls keine Belege im Marktauftritt zu finden, wonach Bilder wie das hier angemeldete Porträtfoto in einer Art und Weise auf den Waren angebracht oder den Dienstleistungen dargestellt seien, dass sie aufgrund ihrer Platzierung vom Publikum als betrieblicher Herkunftshinweis wahrgenommen würden.
Schließlich komme es im Eintragungsverfahren aus Rechtsgründen bei der Frage nach der Schutzfähigkeit von Bildmarken nicht auf die Feststellung an, ob das Zeichen unter Umständen auf den genannten Waren an einer Stelle in einer Aufmachung angebracht sein könnte, dass es vom Verkehr ohne weite-res als Marke verstanden werde. Die Beurteilung der Frage, ob und wie ein Zei-chen, das eigentlich schutzunfähig sei, weil es aufgrund seines Aussagegehalts und einer nahezu stereotypen Verwendung vom Verkehr nur als Werbemittel angesehen werde, aufgrund seiner Präsentation auf der Ware herkunftshinweisend wirke, sei kein für die Auslegung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG maßgebli-ches Kriterium. Vielmehr sei das Zeichen wie angemeldet im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen als solches, aber nicht hinsichtlich seiner konkreten Anbringung auf der Ware zu prüfen.
Eine bestimmte Position des Bildzeichens - hier als Etikett an der Innen-seite der Bekleidung -, aus der sich der Schutzumfang ergeben solle, könne dem Register bei einer Bildmarke nicht entnommen werden (§ 32 Abs. 2, § 3 MarkenG i.V. mit § 7 MarkenV). Das Register habe die Marke nur als solche wiederzugeben, wie sie sich als angemeldete Markenform darstelle. Gehöre zu den Eintragungsvoraussetzungen die besondere Position der Marke an der Wa-re - weil sich daraus für das Publikum erst das Verständnis des Zeichens als Marke ergebe -, handele es sich um eine Positionsmarke und nicht um eine reine Bildmarke. Sollte sich der Schutz der beanspruchten Marke lediglich aus ihrer Position ergeben, da sie nur im Fall dieser ganz speziellen Verwendung markenmäßig benutzt werden könne, sei die Positionsmarke die richtige Mar-kenkategorie. Da das Zeichen hier jedoch als Bildmarke angemeldet und im Prüfungsverfahren ein Wechsel des Zeichens seiner Markenkategorie nach aufgrund des Prinzips der Unveränderlichkeit der Markenanmeldung unzulässig sei, sei eine Prüfung der Marke als Positionsmarke verwehrt.
III. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Dem angemeldeten Bild-zeichen kann die Eintragung als Marke für die noch in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen (s. oben unter I) nicht versagt werden. Nach den Feststel-lungen des Bundespatentgerichts kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Zeichen für diese Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungs-kraft i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt.
1. Unterscheidungskraft i.S. des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG (Art. 5 Abs. 1 lit. b MarkenRL) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, dass die Marke im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise geeignet ist, die Ware oder Dienstleistung, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und somit dieses Pro-dukt von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH, Urt. v. 8.5.2008 - C-304/06 P, Slg. 2008, I-3297 = GRUR 2008, 608 Tz. 66 - Eurohypo; Urt. v. 21.1.2010 - C-398/08 P, GRUR 2010, 228 Tz. 33 = WRP 2010, 364 - Audi [Vorsprung durch Technik], m.w.N.; BGH, Beschl. v. 22.1.2009 - I ZB 52/08, GRUR 2009, 952 Tz. 9 = WRP 2009, 960 - DeutschlandCard, m.w.N.). Dabei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d.h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (st. Rspr.; vgl. BGHZ 167, 278 Tz. 18 - FUSSBALL WM 2006; BGH, Beschl. v. 22.1.2009 - I ZB 34/08, GRUR 2009, 949 Tz. 10 = WRP 2009, 963 – My World, m.w.N.).
2. Das Bundespatentgericht hat die Unterscheidungskraft des angemel-deten Zeichens verneint, weil es nicht hat feststellen können, dass es vom Ver-kehr nicht lediglich als Werbemittel im Sinne einer Sympathie- oder Werbebot-schaft oder eines Imagetransfers, sondern als Hinweis auf die betriebliche Her-kunft verstanden werde. Für diese Beurteilung hat es sich maßgeblich darauf gestützt, dass vergleichbare Bildzeichen in den beanspruchten Branchen ge-genwärtig nicht markenmäßig verwendet würden. Dies rügt die Rechtsbe-schwerde mit Erfolg als rechtsfehlerhaft.
a) Zeichen oder Angaben, die sonst als Werbemittel verwendet werden - beispielsweise als Werbeslogans, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf der Waren oder Dienstleistungen, auf die sich die Marke bezieht, ohne dass sie für diese beschreibend sind -, ist nicht schon wegen einer solchen Ver-wendung die Eintragung zu versagen (vgl. EuGH, Urt. v. 4.10.2001 - C-517/99 P, Slg. 2001, I-6959 = GRUR 2001, 1148 Tz. 40 - Merz & Krell [Bra-vo], zu Art. 3 Abs. 1 lit. d MarkenRL; vgl. ferner EuGH, Urt. v. 21.10.2004 - C 64/02 P, Slg. 2004, I-10031 = GRUR 2004, 1027 Tz. 41 - Erpo Möbelwerk [Das Prinzip der Bequemlichkeit]; EuGH GRUR 2010, 228 Tz. 35 - Audi [Vor-sprung durch Technik], beide zu Art. 7 Abs. 1 lit. d GMV). Zwar kann dem Um-stand, dass die Durchschnittsverbraucher aus solchen Angaben gewöhnlich nicht auf die Herkunft der Waren schließen, bei der Beurteilung der Unterschei-dungskraft Rechnung getragen werden (vgl. EuGH GRUR 2001, 1148 Tz. 35 - Erpo Möbelwerk [Das Prinzip der Bequemlichkeit]). Die Schwierigkeiten, die bei solchen Zeichenkategorien möglicherweise mit der Bestimmung der Unter-scheidungskraft verbunden sind, rechtfertigen es jedoch nicht, besondere Kriterien für deren Feststellung aufzustellen (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027 Tz. 36 - Erpo Möbelwerk [Das Prinzip der Bequemlichkeit]; GRUR 2010, 228 Tz. 38 - Audi [Vorsprung durch Technik]). Wenn die Verkehrskreise das Zeichen (auch) als Herkunftshinweis für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrnehmen, kann die Unterscheidungskraft nicht deshalb verneint werden, weil es gleichzeitig oder sogar in erster Linie als Werbemittel aufgefasst wird (vgl. für einen Werbeslogan EuGH GRUR 2010, 228 Tz. 45 - Audi [Vorsprung durch Technik]). Nur bei Zeichen oder Angaben, denen ein für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen beschreibender Charakter zukommt, ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union das Eintragungs-hindernis nach Art. 3 Abs. 1 lit. c MarkenRL (Art. 7 Abs. 1 lit. c GMV; § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) schon dann anzunehmen, wenn das betreffende Zeichen oder die betreffende Angabe zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (EuGH, Urt. v. 12.2.2004 - C-363/99, Slg. 2004, I-1619 = GRUR 2004, 674 Tz. 97 - Koninklijke KPN/Benelux-Merkenbureau [Postkantoor], m.w.N.).
Dies gilt auch bei der Prüfung des Eintragungshindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG; Art. 3 Abs. 1 lit. b MarkenRL; Art. 7 Abs. 1 lit. b GMV). Zwar sind die Eintragungshindernisse der genannten Vorschriften nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unabhängig voneinander und getrennt zu prüfen (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027 Tz. 45 - Erpo Möbelwerk [Das Prinzip der Bequemlichkeit]; GRUR 2008, 608 Tz. 54 - Eurohypo, m.w.N.). Auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs fehlt einem Zeichen jedoch die Unterscheidungskraft i.S. von Art. 3 Abs. 1 lit. b MarkenRL und Art. 7 Abs. 1 lit. b GMV, wenn es von den maßgeblichen Verkehrskreisen in dem Sinn wahrgenommen wird, dass es In-formationen über die Art der mit ihr gekennzeichneten Waren oder Dienstleis-tungen vermittelt, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft dieser Produkte ver-standen wird (so EuGH GRUR 2008, 608 Tz. 69 – Eurohypo), das Zeichen also im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 8 Abs. 2 Nr. 1 Mar-kenG einen das Produkt beschreibenden Inhalt hat. Im Streitfall kommt dem angemeldeten Bildzeichen nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts in seiner ersten Beschwerdeentscheidung, von denen es auch in der jetzt ange-fochtenen Entscheidung ausgegangen ist, für die noch in Rede stehenden Wa-ren und Dienstleistungen jedoch keine solche beschreibende Bedeutung zu.
b) Unterscheidungskraft i.S. von Art. 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG (Art. 3 Abs. 1 lit. b MarkenRL) setzt (lediglich) die Eignung voraus, als betrieblicher Herkunftshinweis die betreffenden Waren oder Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Anders als bei einer auf § 8 Abs. 3 MarkenG (Art. 3 Abs. 3 MarkenRL) gestützten Anmeldung ist daher nicht erfor-derlich, dass das angemeldete Zeichen schon verwendet und bereits tatsäch-lich vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst wird. Vielmehr ist im Wege einer Prognose zu ermitteln, ob dem angemeldeten Zeichen von Haus aus eine Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen zukommt (vgl. EuGH, Urt. v. 7.10.2004 - C 136/02 P, Slg. 2004, I-9165 = GRUR Int. 2005, 135 Tz. 49, 53, 56 - Mag Instrument [Maglite]; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 8 Rdn. 52 f.; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 66; vgl. ferner Hoffrichter-Daunicht in Büscher/Dittmer/Schiwy, Ge-werblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, Art. 7 GMV Rdn. 17). Da-bei ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung des angesprochenen Verkehrs ab-zustellen. Wenn die Waren und Dienstleistungen, auf die sich die Anmeldung bezieht, wie hier für alle Verbraucher bestimmt sind, ist davon auszugehen, dass es sich bei den maßgeblichen Verkehrskreisen um ein im Bereich dieser Waren und Dienstleistungen erfahrenes, normal informiertes und angemessen aufmerksames und verständiges Publikum handelt (vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2004 - C-329/02, Slg. 2004, I-8317 = GRUR 2004, 943 Tz. 24 - SAT.1, m.w.N.; Urt. v. 15.9.2005 - C-37/03 P, Slg. 2005, I-7975 = GRUR 2006, 229 Tz. 68 - BioID).
Tatsächliche Umstände sind für die Prognose, ob sich das angemeldete Zeichen als Herkunftshinweis eignet, lediglich insoweit von Bedeutung, als im Hinblick auf die (beabsichtigte) Verwendung für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen die für die betreffende Branche bestehenden Verkehrsgepflogenheiten, insbesondere die Kennzeichnungsgewohnheiten, zu berücksichtigen sind. Dazu können auch Feststellungen zur tatsächlichen Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrsteilnehmer gehören, wenn das angemeldete oder wenn ähnliche Zeichen im Verkehr bereits benutzt werden (vgl. EuGH GRUR Int. 2005, 135 Tz. 49 - Mag Instrument [Maglite]). Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die gewöhnliche Verwendung des Zeichens im geschäftlichen Verkehr nur beim Eintragungshindernis nach Art. 3 Abs. 1 lit. c MarkenRL, Art. 7 Abs. 1 lit. c GMV (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) ein Beurteilungskriterium, nicht jedoch im Rahmen der Prüfung der Unterscheidungskraft i.S. von Art. 3 Abs. 1 lit. b MarkenRL, Art. 7 Abs. 1 lit. b GMV (vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2004 - C-329/02 P, Slg. 2004, I-8317 = GRUR 2004, 943 Tz. 36 - SAT.1; EuGH GRUR 2006, 229 Tz. 62 - BioID).
Demzufolge begegnet es aus Rechtsgründen keinen Bedenken, wenn das Bundespatentgericht zur Ermittlung der Unterscheidungskraft des ange-meldeten Bildzeichens tatsächliche Feststellungen dazu getroffen hat, ob Por-trätfotos oder andere naturgetreue Abbildungen bekannter Personen als Kenn-zeichnungsmittel für die hier in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen verwendet und wie sie gegebenenfalls vom Publikum verstanden werden. Ge-hört die Verwendung entsprechender Marken bereits zu den üblichen Kenn-zeichnungsgewohnheiten und hat der Verkehr sich daran gewöhnt, kann daraus auf die Unterscheidungskraft auch des angemeldeten Zeichens zu schließen sein. Lässt sich eine solche bereits bestehende Kennzeichnungspraxis nicht feststellen, genügt allein dieser Umstand als solcher dagegen nicht, um die Eignung des angemeldeten Zeichens, vom Verkehr als Herkunftshinweis ver-standen zu werden, zu verneinen. Vielmehr bedarf es auch in diesem Fall der auf allgemeine Erfahrungssätze und den festgestellten Tatsachen gestützten Prognose darüber, wie das angemeldete Zeichen von den angesprochenen Verkehrskreisen mutmaßlich wahrgenommen werden wird, wenn es - innerhalb der fünfjährigen Benutzungsschonfrist (vgl. § 49 MarkenG) -, wie vom Anmelder beabsichtigt, zur Kennzeichnung der betreffenden Waren oder Dienstleistungen benutzt wird.
Die Rechtsbeschwerde beanstandet mit Recht, dass das Bundespatent-gericht diese Grundsätze im Streitfall nicht rechtsfehlerfrei angewendet hat. Es hat allein aus dem Umstand, dass sich gegenwärtig eine Verwendung entspre-chender Bildzeichen als Marke bei den in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen nicht hat feststellen lassen, den Schluss gezogen, nach der Lebens-erfahrung sei die Verwendung eines solchen Zeichens als betrieblicher Herkunftshinweis daher nicht naheliegend. Das ist deshalb nicht ausreichend, weil allein der Umstand, dass Porträtfotos bislang in den hier maßgeblichen Branchen nicht als Marke verwendet werden, es nicht von vornherein ausschließt, dass ein derartiges Zeichen vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden wird, wenn es anstelle der bislang üblichen Kennzeichnungsmittel benutzt würde.
c) Entgegen der Auffassung des Bundespatentgerichts gehört zu den bei der zu treffenden Prognose zu berücksichtigenden üblichen Kennzeichnungs-gewohnheiten auch, in welcher Art und Weise die Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren und Dienstleistungen üblicherweise verwendet, insbesondere wo sie angebracht werden. So liegt es auf der Hand, dass etwa bei Dienstleistungen eine Kennzeichnung der Dienstleistung selbst mit der Marke ausscheidet, also nur deren Anbringung auf Gegenständen in Betracht kommt, die im Zusammenhang mit der Erbringung der Dienstleistung stehen. Auch bei Waren kann die Anbringung der Marke auf der Ware selbst wegen deren besonderen Eigenschaften (z.B. Flüssigkeiten) ausgeschlossen oder jedenfalls unüblich sein. Unter Umständen eignen sich - aus technischen, praktischen o-der auch aus ästhetischen Gründen - nur bestimmte Teile einer Ware zur An-bringung der Marke, andere dagegen nicht oder nur in beschränktem Umfang. Dies kann etwa darauf beruhen, dass der angesprochene Verkehr das Zeichen an bestimmten Stellen nicht oder nur mit Schwierigkeiten wahrnehmen kann. Bestimmte Warenteile können aber auch deshalb für die Anbringung der Marke ausscheiden, weil sie anderen Zwecken vorbehalten sind. Durch solche sich aus der Natur der Sache oder aus der tatsächlichen Handhabung ergebenden Kennzeichnungsgewohnheiten wird die Wahrnehmung des Verkehrs beeinflusst. Daher kann es von der tatsächlichen Art und Weise der Anbringung auf oder im Zusammenhang mit der betreffenden Ware oder Dienstleistung abhän-gen, ob ein Zeichen von den angesprochenen Verkehrskreisen im Einzelfall als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden wird oder nicht. Im Eintragungsverfahren setzt die Annahme der Unterscheidungskraft nicht voraus, dass grund-sätzlich jede denkbare Verwendung des Zeichens markenmäßig sein muss (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker aaO § 8 Rdn. 77). Es genügt, wenn es praktisch bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten gibt, das angemeldete Zeichen bei den Waren und Dienstleistungen, für die es eingetragen werden soll, so zu verwenden, dass es vom Verkehr ohne weiteres als Marke verstanden wird (BGH GRUR 2008, 1093 Tz. 22 - Marlene-Dietrich-Bildnis I, m.w.N.).
Es kann im Streitfall dahingestellt bleiben, ob der Anmelder seine An-meldung in entsprechender Weise beschränken muss, wenn es nur eine prak-tisch naheliegende Verwendungsform als betriebliches Herkunftszeichen gibt, etwa durch Anbringung des Zeichens an einer genau bestimmten Stelle der betreffenden Ware (sog. Positionsmarke). Im Regelfall werden sich praktisch bedeutsame und naheliegende Verwendungsmöglichkeiten nicht auf eine einzi-ge, genau bestimmte Position des Zeichens auf der Ware beschränken. So ist auch der Hinweis des Senats in der ersten Rechtsbeschwerdeentscheidung, bei Bekleidungsstücken, Schuhwaren und Kopfbedeckungen komme eine markenmäßige Verwendung des angemeldeten Bildzeichens in Betracht, wenn es auf einem auf der Innenseite eingenähten Etikett angebracht werde (BGH GRUR 2008, 1093 Tz. 22 - Marlene-Dietrich-Bildnis I), lediglich als Beispiel ei-ner praktisch naheliegenden Verwendung als Herkunftszeichen zu verstehen (vgl. ferner Götting, GRUR 2008, 1096; Sahr, GRUR 2008, 461, 463 f. mit Fn. 32; Sosnitza, Festschrift für Ullmann, 2006, S. 387, 390). Eine Beschrän-kung des Zeichens auf eine bestimmte Position kann daraus nicht hergeleitet werden. Schon bei der Anbringung auf einem Etikett besteht eine Vielzahl von Möglichkeiten, das Etikett an unterschiedlichen Stellen der betreffenden Ware so anzubringen, dass der Verkehr in dem auf dem Etikett befindlichen Zeichen einen Herkunftshinweis sieht. Dasselbe gilt bei der Anbringung des Zeichens auf anderen üblichen Kennzeichnungsmitteln wie beispielsweise Anhängern, Aufnähern und dergleichen (vgl. § 14 Abs. 4 Nr. 1 MarkenG). Auf der Verpackung der Ware kann das Zeichen gleichfalls so angebracht sein, dass der Verkehr es als Herkunftshinweis versteht.
Verbindet der Verkehr mit dem Zeichen bei derartigen Verwendungsmöglichkeiten keine bloß beschreibende Angabe über die Ware selbst oder de-ren Eigenschaften, wie das Bundespatentgericht für das angemeldete Bildzei-chen im Hinblick auf die noch in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen festgestellt hat, kann ihm nicht jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden, selbst wenn es auch Verwendungsmöglichkeiten gibt, bei denen der Verkehr das Zeichen nicht als Her-kunftshinweis versteht. Kommen mehrere praktisch naheliegende und bedeutsame Verwendungsmöglichkeiten als Herkunftshinweis in Betracht, kann der Anmelder auch nicht darauf verwiesen werden, seine Anmeldung auf eine ein-zige, eng umrissene Verwendung zu beschränken, etwa auf die Anbringung als Kennzeichnungsmittel an einer bestimmten Stelle der Ware. Das Interesse der Allgemeinheit sowie der übrigen Marktteilnehmer, das angemeldete Zeichen in einer Art und Weise benutzen zu dürfen, in der es vom Verkehr nicht als Her-kunftshinweis verstanden wird, erfordert eine solche Beschränkung des Mar-kenschutzes bereits im Eintragungsverfahren nicht. Ihm wird hinreichend da-durch Rechnung getragen, dass bei einer solchen Verwendung eine (marken-mäßige) Benutzung des Zeichens i.S. von § 14 Abs. 2 MarkenG und damit eine Markenverletzung zu verneinen ist (vgl. auch Ullmann, jurisPR-WettbR 11/2008 Anm. 1). Aus diesem Grund kommt es für die Eintragung auch nicht darauf an, ob die Möglichkeiten, das Zeichen als Herkunftshinweis zu verwenden, gegen-über den Verwendungen überwiegen, bei denen der Verkehr darin keinen sol-chen Herkunftshinweis erblickt (vgl. EuGH GRUR 2010, 228 Tz. 45 - Audi [Vorsprung durch Technik]).
d) Für die einzelnen noch zur Beurteilung anstehenden Waren und Dienstleistungen ergibt sich danach Folgendes:
aa) Für die Waren „Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckun-gen“ hat das Bundespatentgericht festgestellt, es habe sich (nur) ein einziges weibliches Porträtbild der bekannten englischen Modeschöpferin und Designe-rin Vivienne Westwood für ein von ihr kreiertes Oberbekleidungsstück (Sport-bluse/Weste) gefunden, das an der Innenseite der Knopfleiste unterhalb des Namenslabels „Vivienne Westwood“ angebracht gewesen sei. Ersichtlich ist das Bundespatentgericht dabei - mit Recht - davon ausgegangen, dass der Verkehr in dieser Verwendung des betreffenden Bildes einen Herkunftshinweis sieht. Diese Wirkung ist offensichtlich nicht davon abhängig, dass das Bild ge-rade an der Innenseite der Knopfleiste angebracht ist. Nach der Lebenserfah-rung liegen vergleichbare Verwendungsmöglichkeiten wie beispielsweise die Anbringung des Zeichens an sonstigen Stellen der hier in Rede stehenden Wa-ren, an denen sich üblicherweise (auch) Kennzeichnungsmittel befinden, oder die Benutzung auf Anhängern, Aufnähern und dergleichen sowie auf der Ver-packung praktisch nahe. Sie rechtfertigen die Prognose, dass der Verkehr in dem so angebrachten angemeldeten Bildzeichen einen Herkunftshinweis sehen wird, auch wenn entsprechende tatsächliche Verwendungen ähnlicher Bildzei-chen in der genannten Branche vom Bundespatentgericht noch nicht in einem nennenswerten Umfang festgestellt werden konnten.
bb) Hinsichtlich der Waren aus „Papier und Pappe“ sowie „Tagebücher“ hat das Bundespatentgericht als Kennzeichnungsgewohnheit festgestellt, dass betriebliche Herkunftshinweise hier entweder auf der Verpackung der Waren oder in sehr kleinem Format an einer unauffälligen Stelle, zumeist auf der unbedruckten Rückseite oder in einer Ecke, angebracht sind. Dass das angemel-dete Bildzeichen vom Verkehr nicht als Herkunftshinweis verstanden wird, wenn es in dieser zur Kennzeichnung der Herkunft der genannten Waren üblichen Art und Weise auf diesen angebracht wird, hat
rätfotos nicht festgestellt werden konnte, steht einem solchen Verkehrsverständnis nicht von vornherein entgegen. Danach kann auch für die Waren „Papier und Pappe“ und „Tagebücher“ nicht angenommen werden, dass dem angemeldeten Zeichen für diese Waren jegliche Unterscheidungskraft i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG fehlt.
cc) Bei „Gürteln“ werden Herkunftshinweise nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts üblicherweise auf der Innenseite des Gürtels oder der Gürtelschnalle eingeprägt, oder es wird die Marke selbst als Gürtelschnalle verwendet. Auch hier erscheint es nach der Lebenserfahrung naheliegend, dass der Verkehr in dem angemeldeten Bildzeichen einen Herkunftshinweis sieht, wenn es etwa in vergleichbarer Weise auf die Innenseite des Gürtels ein-geprägt wird.
dd) Bei der Dienstleistung „sportliche Aktivitäten“ scheidet, wie das Bun-despatentgericht mit Recht angenommen hat, eine Verwendung des angemel-deten Bildzeichens in der Weise aus, dass damit auf den Akteur hingewiesen werden soll, der bei der betreffenden sportlichen Veranstaltung auftritt oder der die sportliche Aktivität erbringt. Dies schließt es jedoch nicht aus, dass das angemeldete Bildzeichen geeignet ist, in anderer Form im Zusammenhang mit der Dienstleistung „sportliche Aktivitäten“ auf die Herkunft des betreffenden Dienst-leistungsangebots aus einem bestimmten Dienstleistungsunternehmen hinzuweisen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass bei Dienstleistungs-marken eine Benutzung in Form einer körperlichen Verbindung zwischen Zeichen und Produkt nicht in Betracht kommt. Herkunftshinweisende Handlungen bestehen bei solchen Marken vielmehr regelmäßig in der Anbringung der Marke am Geschäftslokal sowie in der Benutzung auf Gegenständen, die bei der Erbringung der Dienstleistung zum Einsatz gelangen, wie insbesondere auf der Berufskleidung, auf Geschäftsbriefen und -papieren, Prospekten, Preislisten, Rechnungen, Ankündigungen und Werbedrucksachen (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2007 - I ZR 162/04, GRUR 2008, 616 Tz. 13 = WRP 2008, 802 - AKZENTA, m.w.N.). Schon die Vielfalt der insoweit in Betracht kommenden Kennzeichnungsmöglichkeiten steht der Annahme entgegen, es gebe für das angemeldete Bildzeichen keine praktisch bedeutsame Möglichkeit, im Zusam-menhang mit der Erbringung der Dienstleistung „sportliche Aktivitäten“ als Her-kunftshinweis verwendet und vom Verkehr auch so verstanden zu werden.
ee) Hinsichtlich der verbleibenden Waren und Dienstleistungen kann die Eintragung des angemeldeten Bildzeichens gleichfalls nicht nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt werden, weil das Bundespatentgericht auch insoweit nicht festgestellt hat, dass dem Zeichen für diese Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt.
IV. Der angefochtene Beschluss ist somit aufzuheben. Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 Satz 1 MarkenG).
Bornkamm Pokrant Büscher
Bergmann Koch
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 13.05.2009 - 29 W(pat) 147/03 -